Sichere Unsicherheit – Heute gibt es Fisch!

Sichere Unsicherheit – „Heute gibt es Fisch!“

„Und dann kommt dieser Satz, der mich immer wieder umhaut: ‚Niemand unter den Jüngern aber wagt, ihn zu fragen: Wer bist Du? Denn sie wussten, Es ist der Herr.'“
Predigt am 23. April 2017 zum Sonntag Quasimodogeniti in der Maria-Magdalena-Kirche zu Heimerzheim

Liebe Gemeinde,

wie hat sich die Welt in den letzten 2000 Jahren verändert! Der Buchdruck, das Schießpulver, die Computer, die digitale Welt. Und trotzdem stehen wir vor Karfreitag und Ostern immer noch genau so fassungslos und staunend wie die Jünger damals.

Über 70 Jahre lang hatten wir keinen Krieg, sondern Frieden in unserem Land. Die Mauer in Berlin ist gefallen, wir haben insgesamt einen unfassbaren Wohlstand und uns so sehr daran gewöhnt, dass wir es uns gar nicht mehr anders vorstellen können. Es ist wie ein wunderbarer Traum.

Viele Menschen auf der Welt werden immer wieder aus diesem Traum gerissen. Ein lieber Mensch stirbt. Eine Flutkatastrophe macht in wenigen Minuten alles zunichte, was man mit viel Mühe aufgebaut hat. Ein Krieg schürt den Hass und zwingt Menschen wie Dich und mich zur Flucht.

Damals vor 2000 Jahren hofften die Menschen auf diesen Messias namens Jesus, dass er einen Frieden bringen würde, wie wir ihn so lange schon genossen haben – und dann hing er am Kreuz und alles war vorbei.
Und dann ging es doch weiter. Gegen alles, was man sich vernünftig vorstellen konnte. Gegen alles, was man sich auch heute noch verstellen kann. Eigentlich geht es nicht. Eigentlich müsste finsterste Hoffnungslosigkeit herrschen.

Aber das Gegenteil ist der Fall.

Das Leben geht weiter, von irgendetwas muss man essen, und so sagt Petrus zu seinen Freunden: Wisst ihr was? Ich gehe Fische fangen. Und seine Freunde sagen: Wir haben auch keine bessere Idee. Wir kommen mit.

Unser Predigttext steht im letzten Kapitel des Johannes-Evangeliums.

21,1 Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See von Tiberias. Er offenbarte sich aber so:
2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger.
3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sprechen zu ihm: Wir kommen mit dir. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.
4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.
5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.
6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten’s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.
7 Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte: »Es ist der Herr«, da gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich in den See.
8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.
9 Als sie nun an Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden und Fisch darauf und Brot.
10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!
11 Simon Petrus stieg herauf und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.
12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten: Es ist der Herr.
13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt’s ihnen, desgleichen auch den Fisch.
14 Das ist nun das dritte Mal, dass sich Jesus den Jüngern offenbarte, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Liebe Gemeinde,

pünktlich zu Ostern konnte man von einer Meinungsumfrage der Bildzeitung durch das INSA-Institut lesen:

„Nur die Hälfte der Christen glaubt an Auferstehung.
Jeder zweite Christ glaubt, dass Jesus am Ostermorgen von den Toten auferstanden ist. Insgesamt glaubt das sogar nur jeder dritte Deutsche.“

Leider habe ich nirgendwo die genaue Fragestellung heraus finden können. Denn ich finde es gar nicht so einfach, darauf zu antworten. Und ich möchte heute eine Lanze brechen für den Zweifel und die Ungewissheit.

Die biblischen Texte haben es gut. Sie wissen, dass es Jesus ist. Aber die Jünger: Wissen sie es auch? Vom Boot aus können sie es nicht erkennen. Aber die Netze sind voll, so wie sie damals schon einmal voll waren, als ihnen dieser ein gegen jede Erfahrung eines Fischer sagte, sie sollten das Netz noch einmal auswerfen.

„Das ist Jesus, das muss Jesus sein“, sagt der Jünger, den Jesus liebte. Mit dem vollen Boot, mit den vollen Netzen geht es Petrus wieder einmal viel zu langsam. Wenn er Jesus in der Nähe spürt, hält es ihn nicht mehr im Boot. Allerdings steigt er diesmal nicht einfach auf das Wasser, um dann doch unter zu gehen, sondern er macht einen Kopfsprung und schwimmt an Land. Während er vergeblich versucht, schneller als die anderen zu sein, können wir über einige Details nachdenken.

Zum Beispiel: Warum ist hier ausgerechnet von 153 Fischen die Rede? 153 ist eine ganz besondere Zahl. Es ist die Dreieckszahl von 17. Wenn man alle Zahlen von 1 bis 17 zusammen zählt, kommt genau 153 heraus, und sowohl die sieben wie auch die 10 symbolisieren jede für sich die Fülle Gottes. Andere sagen, dass damals 153 Fischarten bekannt waren, und auf diese Weise die weltumspannende Gemeinschaft der Kirche Christi in allen Ländern gemeint war. Das Netz ist jedenfalls voll und erinnert uns an die Fülle des Lebens, die Gott uns verheißen hat.

Petrus bereut inzwischen, dass er ins Wasser gesprungen ist. Wieder einmal sah das mit den Rudern so langsam aus, und die Fische im Netz machen das Rudern so schwer. Und trotzdem sind sie im Ruderboot viel schneller. Beim Wettrennen zum Grab war Petrus nur Zweiter, und auch heute Morgen wird der Jünger, den Jesus liebte, das Wettschwimmen gewinnen.

Aber wofür haben sie sich eigentlich mit den Netzen so abgemüht? Als sie an Land kommen, brutzelt bereits Fisch auf dem Feuer und duftet das leckere Fladenbrot.

Aber es reicht offenbar nicht. Die Jünger staunen noch über das Feuer und das Brot und den Fisch, da lädt dieser Fremde sie ein, den sie für Jesus halten. Und er bittet sie, etwas von dem Fisch aus ihrem Netz zu bringen.

Jetzt endlich kommt auch Petrus endlich ans Ufer und kann sich nützlich machen. Er zieht das Netz an Land und zählt die Fische.

„Kommt, und haltet Mahl!“

Wie oft wird darüber geflachst, ob man in einer Jugendkirche das Abendmahl auch mit Kola und Chips feiern könnte, und wie abwegig empfinden wir das immer wieder.

Kommt, und haltet Mahl. Ist vielleicht doch anderes wichtig, als das kleine Stück Brot und der kleine Schluck Wein oder Traubensaft?

Haltet das Mahl, heute gibt es Fisch!

Und dann kommt dieser Satz, der mich immer wieder umhaut. „Niemand unter den Jüngern aber wagt, ihn zu fragen: Wer bist Du? Denn sie wussten, Es ist der Herr.“

Wie selbstsicher spricht der Bibeltext davon: Das ist Jesus. Und die Zeugen werden alle namentlich aufgeführt: Simon Petrus, der Zwilling Thomas, Nathanael, zwei weitere der Jünger. Aber sind es sichere Zeugen?

Alle sind sie unsicher. Alle haben sie ihren Zweifel. Und keiner wagt es, diesen Zweifel auszusprechen.

Alle behalten sie diesen Zweifel für sich. Die anderen denken, es ist der Herr, dann muss es wohl der Herr sein.
Fällt ihnen dazu auch das Märchen vom Kaiser ohne Kleider ein?

Aber es fehlt das unschuldige Kind, das laut ausruft: Aber er ist doch ganz nackt. Es fehlt das unschuldige Kind, das fragt: Warum sieht er so ganz anders aus?

Warum sagt Ihr alle, es sei Jesus, obwohl Ihr daran große Zweifel habt!?

2000 Jahre sind nun vergangen. Und wir sitzen hier und singen und beten, weil wir daran glauben, dass es mit Jesus weiter gegangen ist.

2000 Jahre sind vergangen, und unsere Zweifel sind nicht weniger geworden. Manchmal verdrängen wir sie. Manchmal schaffen wir es, offen darüber zu sprechen, so wie heute.

Und dann ist da jemand, der Gemeinschaft stiftet wie dieser Mann an diesem Lagerfeuer mit dem Brot und den Fischen. Das kann die Jugendleiterin sein, oder ein Lehrer oder eine Freundin oder, oder der Flüchtling, der auch mit einem Boot nach Europa gekommen ist und sich hier einsetzt…

Und wir merken: dieser Mensch tut uns gut.
Dieser Mensch ist wie der barmherzige Samariter für uns. Dieser Mensch macht uns Mut, uns für uns selbst und für andere einzusetzen. Dieser Mensch macht uns Mut, weiter zu machen, auch wenn soviel unser Leben bedroht: Krankheiten, aber auch Despoten, marode Kernkraftwerke oder das Bienensterben.

Es ist wie ein Wunder. Gott findet seine Wege. Damit es bei uns immer wieder Ostern wird. Damit bei uns der Himmel auf Erden beginnt. Gott ist uns ganz nahe.

Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.

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