Das synoptische Problem – wie es wirklich war …

3. Mai 57
Eine kleine Kneipe in einem Vorort von Jerusalem.

Johannes blickt von seinem Konzept auf. Er hat einen ganz eigenen Entwurf. „Jungs, ich finde es ganz in Ordnung, was ihr da vorhabt. Aber ich habe mir schon so meine Gedanken gemacht, und das ziehe ich jetzt auch durch.“

Matthäus und Lukas schauen ein wenig betroffen. Sie sind noch nicht dazu gekommen, ihre Gedanken zu bündeln. Sie haben zwar schon viel von Jesus gehört, und bestimmte Geschichten liegen in der Zeitleiste fest, aber bei all dem Zuhören und wegen ihrer sonstigen Verpflichtungen haben sie es beide noch nicht geschafft, eine eigene Vorlage zu entwickeln.

„Schaut doch nicht so betröppelt!“ Markus holt sein Manuskript aus der Tasche. „Das ist relativ kurz, ihr könnt das auch noch gerne ergänzen. Über den Schluss muss ich noch mal nachdenken.“

Matthäus und Lukas sind wie elektrisiert. Sie überfliegen die Blätter, die Markus auf den Tisch gelegt hat. In der Tat, da lässt sich noch einiges hinzufügen. Während Johannes auscheckt und etwas Trinkgeld auf dem Tisch liegen lässt, beschließen die drei anderen, noch ein wenig zu bleiben. Matthäus und Lukas machen sich Notizen, in welcher Reihenfolge Markus seine Kapitel sortiert hat. Die klingt eigentlich ganz logisch. Matthäus und Lukas kennen noch Geschichten aus der Kindheit. Matthäus weiß etwas von einer Flucht nach Ägypten, dafür hat Lukas von den Engelgeschichten mit den Verheißungen an Elisabeth und Maria gehört.

„Sag mal, mir hat man erzählt, diese große Rede hätte Jesus auf dem großen Feld am See Genezareth gehalten…“ Matthäus schüttelt den Kopf. „In Wirklichkeit ist das doch schon eine Sammlung von mehreren Reden und Begebenheiten. Aber als Rede macht sich das besser. Wenn Du das ‚Feldrede‘ nennst, dann nenne ich das ‚Bergpredigt‘. Die Seligpreisungen müssen aber auf jeden Fall rein!“

Lukas hebt den Kopf. „Meinst Du wirklich, das wird mal jemand lesen, so in 1000 oder 2000 Jahren, oder so?“

„Will denn Jesus nicht viel früher wiederkommen?“ Matthäus ist skeptisch.

„Und wenn nicht? Dann werden die doch wissen wollen, wer alles von wem abgeschrieben hat!“ Lukas weiß gar nicht, wie recht er mit dieser Vermutung hat.

Matthäus beginnt zu grinsen. „Wenn die dann genauso sorgfältig sind wie unsere Schriftgelehrten heute, sollten wir es ihnen nicht zu einfach machen. Ich habe da so ein paar nette Ideen. Das wird ein Spaß!“

 

Der Legende nach sollen verschiedene Beobachter Mitte Mai 57 in der Nähe von Jerusalem unabhängig von einander zwei Männer auf ihrer Wanderung an einer Quelle beobachtet haben. Sie waren nicht zu übersehen. Ihr Lachen konnte man schon von weitem hören.