Wen soll ich nur wählen?
Eine Hilfe dazu geben „Wahlomaten“, die die verschiedenen Wahlprogramme analysieren und auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit der eigenen Auffassung aufmerksam machen.
So wichtig diese Überlegungen sind und so sehr sie zu meiner Orientierung beitragen können, so müssen sie doch um einige taktische Gedanken ergänzt werden.
Bei der Bundestagswahl haben wir jeweils nur zwei Stimmen. Mit der Erststimme wählen wir den Direktkandidaten in unserem Wahlkreis. Mit der entscheidenderen Zweitstimme bestimmen wir die Zusammensetzung der Parteien im Parlament.
Die Wahl: Zusammensetzung des Parlaments oder Demo?
Die Hauptaufgabe der Wahl besteht darin, diese Zusammensetzung zu bestimmen. Eine weitere Möglichkeit kann darin bestehen, seiner politischen Anschauung Ausdruck zu verleihen.
Wer sich für diese zweite Möglichkeit entscheidet, muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Stimme die Zusammensetzung des Parlaments und der Regierung womöglich gerade nicht mit entscheidet und die konkrete Politik für die nächsten vier Jahre womöglich von Menschen verantwortet wird, die von seiner politischen Meinung abweichen.
Da meine Stimme nur eine von ganz vielen ist, möchte ich sie nicht verschenken und möglichst effektvoll einsetzen. Was bedeutet das für die beiden Kreuze?
Die Erststimme
Realistisch betrachtet haben in der Regel nur die Kandidaten der größeren Parteien eine Chance, sofern es sich nicht um anerkannte und beliebte Charaktäre handelt. So lieb mir auch meine eigene Lieblingspartei ist, werde ich keinen Vertreter oder keine Vertreterin wählen, die keine reelle Chance hat, die meisten Stimmen auf sich zu versammeln.
Das Kreuz bekommt diejenige Kanditadin oder derjenige Kandidat, der eine reelle Chance auf den Wahlsieg hat und mit meiner Auffassung am nächsten übereinstimmt.
Beispiel: Kandidat A, mit dem ich gar nicht übereinstimme, bekommt 7 Stimmen, Kandidat B, mit dem ich mehr übereinstimme, erhält 6 Stimmen. Zusammen mit einem weiteren Wähler hätten wir für unseren Lieblingskandidaten gestimmt, der 2 Stimmen erhält. Im Ergebnis wird unser Wahlkreis von einem Menschen vertreten, der mit meiner Meinung weniger übereinstimmt, als es möglich gewesen wäre. Hätten wir zwei unsere Stimmen taktisch klug gegeben, wäre die Wahl mit 8 zu 7 Stimmen für Kanditat B ausgegangen, und ich wäre im Parlament wesentlich besser vertreten.
Je knapper die Wahl voraussichtlich ausgehen wird, desto wichtiger ist es, einem der beiden voraussichtlich stärksten Kandidaten die Stimme zu geben.
Die Zweitstimme
Die Zweitstimme ist die wichtigere von beiden, denn sie bestimmt die Größe der einzelnen Fraktionen im neuen Parlament.
Für mich scheiden daher alle Parteien von vorneherein aus, die mit Sicherheit nicht die 5-Prozenthürde überschreiten werden. Sobald ich mich für eine von ihnen entscheiden würde, erhalten Parteien ein größeres Gewicht, die ich aus politischen Gründen für unwählbar halte. Da könnte ich im Blick auf die Zusammensetzung des Parlament genauso der Wahl ganz fernbleiben.
Damit kommen bei der aktuellen Wahl eigentlich nur noch die klassischen großen Parteien wie CDU/CSU und die SPD, sowie kleinere wie FDP, Grüne, Linke oder die AfD infrage, da alle anderen keine reelle Chance habe, die 5-Prozent-Hürde zu überschreiten.
Jeder von uns wird aus dieser Auswahl eine oder mehrere Parteien finden, die er oder sie für völlig untragbar hält. Jede Stimme für eine der ganz kleinen Parteien macht diese für mich untragbare Partei stärker.
Die Wahl entscheidet darüber, wer die Richtung in den nächsten vier Jahren in unserem Land bestimmt. Keine der Parteien wird mit meiner Meinung völlig übereinstimmen. Daher muss ich selber entscheiden, welche Aspekte mir auf der einen Seite besonders wichtig sind, welche ich auf der anderen Seite am meisten ablehne, und welche der Parteien meine Meinung am ehesten in der Politik einbringen wird.
Ein weiterer Aspekt kann lauten: Welche dieser Parteien sollte auf keinen Fall unter die 5-Prozentgrenze sinken, weil ich auf diese Partei im Parlament nicht verzichten möchte? Diese Überlegung hat in den vergangenen Wahlen immer wieder einen wichtigen Ausschlag gegeben.
Und wenn meine Lieblingspartei ihre Ziele in der Vergangenheit nicht erreicht hat?
Immer wieder sind Parteien von ihren Wählern abgestraft worden, weil sie manche ihrer Ziele in der Vergangenheit nicht erreicht haben. Bevor man sich darüber zu sehr ärgert, sollte man sich zweierlei überlegen: Wenn ich mein Kreuz diesmal bei einer anderen Partei mache: Wir sie meine Interessen wirklich besser vertreten als die, die ich gerade „abstrafen“ möchte? Oder muss ich sie nicht womöglich gerade deshalb noch einmal wählen, damit sie stark genug wird, um diesmal besser Gehör zu finden als beim letzten Mal?
Wählen gehen!
Wie auch immer: Wenn ich nicht zur Wahl gehe oder eine der ganz kleinen Parteien wähle, nutzt meine Stimme am stärksten den Parteien, von denen ich mich am wenigsten vertreten fühle.
Dieser Effekt tritt womöglich auch ein, wenn ich die Erststimme dem Kandidaten meiner Lieblingspartei gebe.
Wählen gehen ist gut und richtig. Noch besser aber ist, klug wählen zu gehen! Daher: Wählen Sie klug, wer die nächsten vier Jahre regieren soll!