Ein Koffer für die letzte Reise

Ein Koffer für die letzte Reise
Der Bestatter Fritz Roth aus Bergisch-Gladbach lud 100 Menschen ein, einen “Koffer für die letzte Reise” zu packen.
Roth will herausfordern, sich über Sterben, Trauer und Tod Gedanken zu machen. Wer würde mitmachen?

Infos zum Projekt

Ich fand den Gedanken spannend, selber einen solchen Koffer zu packen. So manche Beerdigung habe ich selber gehalten, mir Gedanken gemacht.

Aber:

“Das letzte Hemd hat keine Taschen.” Wirklich mitnehmen kann man nichts, es kann meiner Meinung nach “nur” um Symbole gehen. “Nur”?

“Der Tod ist wie der Mond – niemand hat seinen Rücken gesehen” lautet ein Sprichwort in Afrika; Jürgen Thiesbonenkamp hat es als Titel für seinen Vergleich von Bestattung und Totengedenken in Kamerun und Deutschland gewählt.

Niemand weiß, was nach dem Tod sein wird. Ich weiß es auch nicht, auch wenn ich Pastor bin.

Und je genauer ich es mir vorstelle, desto größer sind die Widersprüche, in die ich mich dabei verwickle. Einfach so weitergehen wie hier auf der Erde kann es wohl nicht. Aber jede kleine Veränderung der Umstände führt dazu, dass ich es mir insgesamt doch nicht vorstellen kann. Es ist wohl besser, sich kein Bild davon zu machen.

Und wenn doch, dann nur unter der Voraussetzung, dass ich Bild und Realität des Lebens nach dem Tod immer sorgfältig unterscheide.

“Jetzt sehe ich nur durch einen Spiegel”, verschwommen und unscharf. Erst später einmal wird das Bild scharf werden. Wenn es dann noch so etwas wie Bilder gibt. Das ist das Risiko, das Glaubende eingehen. Es kann auch alles ganz anders sein.

Wenn ich mir das klar mache, kann ich viel leichter die Bilder auf mich wirken lassen, kann ich die Bilder ausmalen, kann ich mich davon trösten lassen.

Ursprünglich wollte ich Gegenstände hinein tun, die zu diesen Bildern passten. Bilder aus Psalm 23. Ein kleines Schaf vielleicht, einen Hirten…

Aber erstens war der Koffer, der dann eines Tages geliefert wurde, für einige der Gegenstände zu klein.

Und zweitens konnte ich nicht reale Dinge einzupacken, wo ich doch denke, dass ich über den Tod nur in Bildern sprechen und denken kann.

Also Bilder…

Und so entstand der Koffer.

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In der Mitte: Eine aufgeschlagene Bibel mit Psalm 23.

Dazu Bilder mit Assoziationen zu diesem Psalm.

Da findet sich ein Hirte. Eine “Biblische Erzählpuppe”, wie ich sie hin und wieder in Altenheimen verwende. Viele Menschen in den Gottesdiensten sind dement. Theoretische Gedanken verstehen sie nicht mehr besonders gut. Aber für Gefühle und  Stimmungen sind sie sehr aufgeschlossen. Mit “Biblischen Erzählpuppen” kann man Gefühle gut ausdrücken. So wurde eine dieser Puppen zum “Guten Hirten”, der seine Schafe weidet. Ein solches Schaf war als Handpuppe auch schon einmal im Gottesdienst dabei.

“Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln…” Ein schönes Bild für die Geborgenheit bei Gott. Ein schönes Bild für das Leben jetzt und nach dem Tod…

Es gibt jemanden, der aufpasst, der dabei ist, der mich hört. In guten und in schlechten Zeiten…

Die meisten der Gottesdienste in meinen Heimen sind Abendmahlsgottesdienste. So finden sich auf dem dritten Bild Kelch und Patene mit Oblaten und ein Gedeck mit unserem guten Geschirr. Ein herzliches Dankeschön an die Schwiegereltern, die uns nach der Hochzeit beim Kauf unterstützten.

“Du deckst vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein.”

An vielen Stellen im Neuen Testament ist Jesus zu Gast, er trinkt und isst und hat Gemeinschaft. Er macht deutlich, wie nahe Gott ist. So wie die Gastfreundschaft auch im Alten Testament immer wieder eine wichtige Rolle spielt.

Gott lädt ein. Auch im Angesicht der Feinde. Auch im Angesicht des Todes.

Eines der schönsten Bilder der Bibel ist für mich das Gastmahl oder das Hochzeitsmahl am Ende der Zeiten.

Voller Genuss. Zusammen mit vielen anderen Gästen. Mit Gästen, die ich lange nicht gesehen habe. Mit Gästen, die ich noch nie gesehen habe, aber denen ich nun persönlich begegnen kann. Es gibt da einige, die ich noch sprechen würde, die aber leider nicht mehr leben. Auf dieses Festmahl freue ich mich schon.

Und feiere Abendmahl. Das kleine Stück Brot, der Schluck Wein (im Heim tauche ich immer die Oblate in den Wein), sie symbolisieren das große Gastmahl und nehmen uns jetzt schon mit dahin. Jesus Christus ist der Gastgeber, er stärkt uns auf eine ganz eigene Weise.

Und so fanden Kelch und Patene einerseits und das Gute Geschirr andererseits den Weg in den Koffer. Herzlichen Dank auch der Christuskirchengemeinde in Zülpich, die mir und den Gottesdienstbesucherinnen und -besuchern Kelch und Patene immer wieder ausleiht für die Gottesdienste in den vielen Heimen.

Die grünen Auen – ein Blick in unseren bunten Garten im Frühling. Ein Blick auch auf eine der Burgen aus dem letzten Sommerurlaub. Es sind schöne Bilder, die einladen zum Leben.

“Wenn ich auch wanderte im finsteren Tal…”

Ein Bild bleibt dunkel.

Immer wieder sagen mir Menschen, dass sie nun alt genug geworden sind. Nun würden sie gerne sterben, aber sie wissen nicht wann und wie.

Und andere sterben viel zu früh, wie das siebzehnjährige Mädchen, dessen Reanimierung fehlschlägt und dessen Freund und dessen Eltern  ich trösten musste.

Es gibt sie, diese finsteren Täler, und ich bin froh, dass die Bibel auch diese Bilder nicht verschweigt oder ignoriert. Das macht diese Bilder für mich so glaubwürdig.

Aber sie machen Mut. Jemand begleitet mich. Viele Menschen, aber auch sie sind Ebenbilder Gottes, auch sie repräsentieren den auferstandenen Christus; er selbst, der Auferstandene und in den Himmel Aufgefahrene (auch so ein schönes Bild) ist mit uns im Hier und Jetzt und begleitet uns…

“Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.”

So manche und mancher musste sein eigenes Haus verlassen und lebt nun im Seniorenheim. Das Zimmer im Hause des Herrn wird niemand mehr verlassen müssen. Auch dafür stehen die Bilder vom Garten und von der Burg…

Ich freue mich, dass ich bei diesem Projekt mitmachen darf.

Koffer und ein Begleittext sind in der Ausstellung an verschiedenen Orten zu sehen, zusammen mit 102 anderen. Am 19. Mai 2006  wurden sie in Bergisch-Gladbach der Öffentlichkeit vorgestellt.

Manche sehr kunstvoll, manche ganz leer, manche witzig, manche abstoßend oder verärgernd.

Und man kann sie zuhause sehen. Der Katalog der Ausstellung ist unter dem Titel “Einmal Jenseits und zurück” im Gütersloher Verlagshaus erschienen.

Und ich würde mich freuen, mit Besucherinnen und Besuchern meiner Homepage darüber ins Gespräch zu kommen.

Vielleicht unterstützt mich ja auch der eine oder andere in den Heimen. Es tut gut.

Es tut gut, sich über Tod und Leben Gedanken zu machen.

Am meisten beeindruckt hat mich dabei Manfred Elzenheimer, ein Fleischermeister, der nichts in den Koffer nahm als Zettel mit vier Worten. “Nein”, “Entschuldigung”, “Danke” und “Liebe”. Bei jedem der Tiere, die er schlachtet, möchtet er für sich und das Tier die Würde bewahren. Phillip Engel hat ihn und die Designstudentin Joa begleitet, als sie ihren Koffer packten, und einen schönen Film gedreht: Einmal Jenseits und zurück. (Erstausstrahlung am 15. Januar 2006 in der ARD – Leider wegen des Rundfunkstaatsvertrags nicht mehr abrufbar).

Das Buch zur Ausstellung ist im Buchhandel für 19,95 Euro erhältlich.
Fritz Roth (Hrsg.), Einmal Jenseits und zurück. Ein Koffer für die letzte Reise.
2006 Güterloher Verlagshaus. ISBN 3-579-03251-8

6 Gedanken zu „Ein Koffer für die letzte Reise“

  1. Im Raum Aachen kann man demnächst den Film sehen!
    Gerne gebe ich die Einladung weiter. Vielleicht sieht man sich dort!

    Montag, 7. November, 19 Uhr
    Film „Einmal Jenseits und zurück“ im Hospiz am Iterbach, Eisenhütte 21, 52076 Aachen-Walheim

    Wer in ein Hospiz einzieht, packt meist buchstäblich den „Koffer für die letzte Reise“. Zu dem, was danach kommt, kann man nichts mehr mitnehmen.

    Aber was wäre es denn, das wir mitnähmen, um zu zeigen: „So bin ich. So war mein Leben. Das bleibt von allem“?

    Vor zehn Jahren rief der Bestatter Fritz Roth (Pütz-Roth, Bergisch-Gladbach) eine Kunstaktion ins Leben: hundert Frauen und Männer, prominente und unbekannte, packten jeweils einen solch symbolischen „Koffer für die letzte Reise“. Heraus kam eine anrührend vielfältige Mischung.

    Der Film „Einmal Jenseits und zurück“ von Phillip Engel über Ausstellung und Projekt wurde 2006 erstmals in der ARD gezeigt. Er regt zur Betrachtung und zum Gespräch darüber an.

    Die Teilnahme am Filmabend ist kostenfrei. Getränke und Snacks stehen bereit. Über Spenden freuen wir uns, sie kommen der Küche und der Arbeit des Hospizes am Iterbach zugute.

    Um Anmeldung wird gebeten per E-Mail (an eine der beiden angegebenen Adressen) oder telefonisch bis zum 22. Oktober 2016 (Schulferien: 10. bis 21. Oktober!): angela.reinders@bistum-aachen.de oder josephs@mailbox-homecare.de bzw. Tel. 0241 452 557.

    Vor und nach der Veranstaltung ein Busshuttle bereit (Parkplatz Jakob-Büchel-Haus, Prämienstraße – Hospiz und zurück)

  2. Die Ausstellung wird 2017 in Mexiko gezeigt.

    im Januar: Mexiko-City
    16.02. – 31.05.2017: Hermosillo in Mexiko

    Infos unter dem Link oben im Text.

  3. Der Gedanke, zu überlegen, was ich in den Koffer packen würde auf der Reise ins Jenseits, könnte mir nie kommen, denn mich beschäftigt eher die Sorge, wie es nach dem ersten Tod meinem Geist (Psyche) ergehen wird, wenn die zweite Trennung anstehen sollte: die Trennung von Seele und Geist. Jene soll, nach allem, was ich bisher darüber erfahren konnte, eine weitaus dramatischere Agonie sein. >Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die aber den Geist (die Psyche) nicht zu töten vermögen, fürchtet jedoch vielmehr den, der sowohl…(Matthäus X, 28-29).

    Mir ist von einer diesbezüglichen Programmänderung nichts bekannt, aber das scheint allgemein anders gesehen zu werden – vielleicht aufgrund einer gewissen Vogel-Strauß-Politik.

    >Die drei erblichen Fundamentierungen zu kennen, heißt die Wissenschaft zu besitzen: Die Seele, die von Gott kommt, den Geist, der von den Gestirnen kommt, den Körper, der von der Erde kommt.< DIE WIEDERGEFUNDENE BOTSCHAFT II,88

    1. Sorry, aber es ist doch wohl jedem klar, dass niemand diesen gepackten Koffer materiell mitnehmen wird!

      Es geht dabei um eine kreative Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod.

      Und die ist je nach religiösem und weltanschaulichem Hintergrund und jeweiliger Lebenserfahrung ganz unterschiedlich.

      Die Beiträge zur Ausstellung und auch die im Buch dokumentierten Beiträge sind spannend und anregend und dienen im Grunde nicht zu einer Grabbeigabe, sondern zum Nachdenken über das eigene Leben.

      Persönlich interessieren mich Sekulationen wenig bis gar nicht, was genau wann nach dem Tod passiert. Alles, was ich dazu habe, sind bildhafte Aussagen. Die meisten davon empfinde ich als tröstlich.
      Alles weitere überlasse ich dem lieben Gott, auf den ich vertraue.

      Wie heißt es so schön: „Hilf mir ändern, was ich ändern kann, hilf mir ertragen, was ich nicht ändern kann und gib mir die Weisheit, zwischen beidem zu unterscheiden.“

      Hier mein Leben kann ich – in gewissen Grenzen – ändern. Das, was danach kommt, liegt in Gottes Hand, und da liegt es gut.

      1. Nun gut, danke Herr Kehren; ich ändere meine Meinung und möchte nun doch einen Koffer packen – richtig materiell – in den ich die Heiligen und Weisen Schriften packen würde, um nach dem irdischen Tod weiter nach Gottes-Erkenntnis zu suchen; nach der Erkenntnis, die mir während meines Erden-Daseins nicht voll zuteil wurde. Denn wie soll man einen Gott „aus ganzem Herzen lieben“ von dem man so wenig weiß wie ich?, nur, dass Er mir das Leben auf diesem Planeten ermöglichte, das Er mir allerdings nehmen kann, wann es IHM beliebt.

        Heißt es nicht bei AMOS: „Suchet mich und lebt“? – Weist die Heilige Schrift nicht mit Deutlichkeit darauf hin, dass die intelligentesten Menschen, nachdem sie einen Wunsch frei hatten, um Weisheit gebeten haben: Salomon, David?

        Der Glaube scheint mir die wunderbarste Gabe Gottes auf dieser Erde, aber ich bin davon überzeugt, dass es zwei Arten von Glauben gibt gemäß den Worten des Heiligen Augustinus:

        „Glaube, um zu erkennen und erkenne, um zu glauben“.

        Dies verstehe ich so wie es in der französischen Sprache zwei Begriffe für unser deutsches Wort „Glaube“ gibt, nämlich „croyance“ und „foi“. Die „croyance“ eventuell zu übersetzen mit „blinder Glaube“ scheint zur „foi“, dem erkennenden Glauben zu führen. – Liege ich da richtig? Sie kennen sich da bestimmt besser aus als ich Laie.

        1. Ich habe mich an der Kofferaktion lediglich beteiligt.
          Es ist ein Kunstprojekt, das zum Nachdenken anregen soll.
          Da gibt es kein Richtig und kein Falsch.

          Manche der Koffer fand ich inspirierend. Manche fand ich abstoßend oder irritierend.

          Einen Koffer mit Heiligen Schriften empfinde ich eher als inspirierend.

          Augustinus scheint mir nach diesem Zitat nur eine Form des Glaubens zu kennen. Hier spielt er auf eine „Wechselwirkung“ von Glauben und Wissen an.

          Französisch beherrsche ich nicht. Dazu kann ich nichts sagen.

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