Auf die folgenden Texte stieß ich im ökumenischen Jugendkreis in Essen-Altendorf (1983). Die genaue Quelle ist mir nicht bekannt.
„Wer mir nachfolgen will…“ Markus 8,34
Die Synode der deutschen Bistümer ist – wie mir einer, der es wissen muss, versicherte – ein großes, epochemachendes Ereignis gewesen. Einer der Teilnehmer erklärte uns an einem Beispiel, das natürlich frei erfunden ist, wie ein Synodenpapier entstehen kann.
„Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ Ein bekanntes und schlichtes Wort, das im Evangelium zu lesen ist. Seine Bedeutung wird freilich erst dann richtig erkennbar, wenn es zum Gegenstand synodaler Beratungen wird. Nehmen wir es einmal so an.
Natürlich erscheint dieser knappe Satz der zuständigen Sachkommission schon beim ersten Drüberlesen als zu schroff und nicht auf alle Gegebenheiten anwendbar formuliert. Daher beantragt der Synodale U., den festen Rat, das Kreuz auf sich zu nehmen, durch ein „in der Regel“ zu mildern. Dies, so meint er, deute immer noch die Richtung des Gemeinten an, trage aber doch auch der besonderen pastoralen Situation in einigen Bistümern Rechnung. Dies findet Zustimmung.
Als nächster weist der Synodale D. mit beredten Worten auf die Gefahr hin, man könne aus dem Wörtchen „will“ womöglich eine ungebührliche Betonung subjektiven Wollens herauslesen. Er plädiert für Streichung. Trotz der Gegenrede der Synodalin R., die nicht ihren besten Tag hat, holt er eine knappe Mehrheit heraus für die Fassung: „Wer mir nachfolgt, der nehme in der Regel…“
Fünf Wochen später, in der nächsten Sitzung – der zweifach geänderte Satz ist mit dem Protokoll rechtzeitig allen Kommissionsmitgliedern schriftlich zugegangen – steht er erneut zur Debatte. Der magenkranke Synodale M., der beim letzten Mal leider verhindert war, an den Beratungen teilzunehmen, stößt sich sogleich an der Formulierung „der nehme“. Darin muss er lesen, man wolle die Nachfolge dem Betroffenen lediglich anraten. Zudem erinnere ihn dieser Ausdruck gewissermaßen an Kochrezepte. Um derartige assoziative Missverständnisse von vornherein auszuschließen, habe er folgende Neufassung des Textes ausgearbeitet: „Die vom Herrn eindeutig geforderte Nachfolge besagt in der Regel das Aufnehmen des dem angerufenen Jünger spezifischen Kreuzes und damit die Nachfolge des Herrn durch eben diesen Jünger.“ Dies findet Zustimmung. Ebenso der Hinweis, das Wort „eindeutig“ könne man streichen; der Ausdruck „gefordert“ sei stark genug, um das gemeinte Anliegen zu verdeutlichen.
Eine längere Debatte gibt es bei der nächsten Sitzung um den Vorschlag mehrerer synodaler Sprecher, den letzten Teil des Satzes, der stilistisch wie inhaltlich den Satzanfang nur unnötig wiederhole, überhaupt zu streichen. Einige sprechen dagegen, doch erinnert der Vorsitzende rechtzeitig an die Mahnungen der Zentralkommission, die Vorlagen entschieden zu straffen. Der noch eine Stunde vor Schluss der Sitzung angereiste prominente Synodale T. weist auf mögliche Bedenken der Exegeten hin: Das vorliegende Jesuswort von der Nachfolge sei uns schließlich nur als ein durch die Urgemeinde vermitteltes bekannt und dürfe darum nicht so unbefragt, wie im Text geschehen, als direkt jesuanisch postuliert werden. Unter Zeitdruck achtet nun die Kommission nicht mehr auf den Synodalen R., der noch einmal sein Anliegen vorträgt, die Bibel gehöre in jede Arbeiterhand, sondern einigt sich mit zwei Enthaltungen, folgende Fassung zur 1. Lesung in die Vollversammlung einzureichen:
„Die nach dem Zeugnis der Evangelien dem Herrn selbst zugeschriebene Aufforderung zur Nachfolge besagt in der Regel das Aufnehmen des dem jeweiligen Jünger spezifischen Kreuzes durch denselben.“
Zur 1. Lesung in der Vollversammlung werden zu dem vorliegenden Satz insgesamt 21 schriftliche Änderungsanträge eingereicht. Davon werden nach mehrstündiger Beratung 9 abgelehnt und 12 überwiesen.
Zwei Monate später schon gelingt es der Sachkommission bei ihrer nächsten Sitzung, sich auf folgende neue Textfassung zu einigen, in die alle Anträge eingearbeitet sind:
„Sofern uns das Zeugnis der Evangelien als ein sowohl damals entstandenes als auch in der heutigen Weltsituation gültiges authentisch überliefert ist, besagt die darin dem als dem Christus geglaubten Jesus von Nazaret zugeschriebene und von der durch die Zeiten pilgernden Kirche als seines geheimnisvollen Leibes treulich tradierte Aufforderung zur Nachfolge in Glaube, Hoffnung und Liebe in der Regel das Akzeptieren des dem jeweiligen Jünger je und je eigenen und Schicksal und Tod bezeichnenden Kreuzes, jedoch nur, wo dies möglich und üblich ist und wo dem nicht ernsthafte Bedenken des Pfarrgemeinderates wie auch gegebenenfalls des Pfarrers, der dabei im Regelfall der Zustimmung des Dekans bedarf, entgegenstehen.“
Die Sachkommission glaubt, für die 2. Lesung ein brauchbares Arbeitspapier erstellt zu haben. Auf die Frage eines Zeitungsmenschen, ob man dies nicht auch einfacher sagen könne und so, dass man es an der Basis verstehe, meinte man allgemein, damit sei die Synode überfordert.
Die Kreuzigung
„Sie höhnten: Steige er doch herab, dann wollen wir an ihn glauben!“
Matthäus 27,42
Der-da-oben
wollte ein Beispiel geben,
aus Liebe, sagt er – und ist
Der-da-unten geworden.
Seine Gefühle in Ehren,
aber wo kämen wir hin…
man kann doch nicht einfach
alles auf den Kopf stellen!
So haben wir die Sache
wieder in Ordnung gebracht, haben ihn,
Den-da-unten, am Kreuz erhöht,
in den Himmel erhoben.
Es war nicht ganz einfach.
Jedenfalls ist er nun wieder da,
nämlich oben, wo er hingehört,
Der-da-oben.
Vorsorge
„Jesus wusste, dass alles vollbracht war…“
Johannes 19,28-30
Wir haben ihn
festgenagelt
auf seine Versprechungen.
Ein Kreuz, ein Hammer
und vier dicke Nägel,
das genügt.
Nun muss er
sein Versprechen halten,
uns zu retten.