Lässt Gott sich definieren? Lässt Glaube sich definieren?
Warum definiert Kirche nicht (mehr) den „Glauben“?
Das fragt jemand in der Gruppe „Progressive Theologie“.
Weil …
… Gott etwas ist, was sich der Definierbarkeit entzieht.
… in der Folge der Glaube etwas ist, das sich der Definierbarkeit entzieht.
… weil auch der Opfertod Jesu sich einer Erklärbarkeit entzieht.
… weil schon in dieser Welt (immanent) nicht alles erklärt werden kann…
… weil in der jenseitigen Welt (transzendent) die Erklärbarkeit grundsätzlich scheitert (sonst wäre es eine Sphäre der Immanenz).
Es bleibt die Herausforderung, mit all den Widersprüchen und Zumutungen dieser Welt irgendwie umzugehen: Mit Tausenden Fehlgeburten, mit Krankheiten, Naturkatastrophen, Krieg und zuletzt dem Tod. Damit umzugehen, ohne den Lebenswillen zu verlieren. Mit der Hoffnung, nie davon betroffen zu sein. Trotz des Wissens um den eigenen Tod.
Mit der Hoffnung, dass am Ende alles gut wird. Dass es noch irgendwie einen gerechten Ausgleich gibt und irgendwie ein Leben in Frieden und Freiheit.
Außer der religiösen Zusage, dass es diesen Ausgleich bei Gott gibt, haben wir nichts in der Hand. Dies kann nur geglaubt und gehofft werden. Nicht mehr und nicht weniger.
Das ist u.U. nicht viel. Und manchmal ist es alles, was noch beim Leben hilft.
Und es ist wie beim Gang über das Hochseil: Es gibt keine andere Möglichkeit, als selbst auf das Seil zu steigen.
Als Reaktion erhalte ich den Einwand, dann sei doch alles beliebig.
Und positiv: Jeder habe seine eigene Definition.
Das sehe ich anders:
Ich habe keinesfalls geschrieben, dass diese Begriffe an der individuellen Definiton jedes Einzelnen hängen.
Ich habe geschrieben, dass sie nicht definierbar sind.
Auch für den Einzelnen nicht.
Denn Gott bleibt Gott. Der nicht einfach ist, sondern der sich immer erst als der erweisen wird, der er ist.
Niemand verfügt über die göttliche Wahrheit außer Gott selbst.
Auch wenn man Gott nicht definieren kann, so ist doch Gott nicht beliebig. Auch die Wahrheit ist nicht beliebig. Gerade auch Gottes Wahrheit nicht.
Nur bleibt eben Gott Gott – und wir bleiben Menschen.
Ich halte es nach wie vor für eine gotteslästerliche und unbiblische Anmaßung, wenn Menschen versuchen, Gott zu definieren.
Wer Gott definiert, braucht nicht mehr zu glauben.
Er muss auch nichts mehr „auf dem Hochseil wagen“.
Wer Gott definiert, hat ihn in der Hand.
Die darin liegende Anmaßung liegt auf der Hand.
Wer Gott definiert, macht Gott zu einem statischen Etwas.
Was dabei herauskommt, hat aber mit dem Leben nichts mehr zu tun und auch nicht mehr mit dem lebendigen Gott.
Leben ist auf Zukunft offen. Was auf Zukunft offen ist, kann aber nicht festgelegt werden.
In diesem Sinne ist auch Wahrheit auf Zukunft offen.
„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben!“
Wege sind verschlungen. Es sind nicht zwingend feste Straßen oder Autobahnen. Manchmal klettert man über Zäune, schwimmt durch Flüsse. Aber Wege sind nicht beliebig, sondern ergeben sich durch das Gehen. Wer rechts abbiegt, kann nicht zugleich links abbiegen. Leben ist lebendig. Und das öffnet das Bild für die Wahrheit, die dementsprechend auch nicht statisch ist.
Es kommt darauf an, wie man die Bibel zu lesen gewohnt ist:
Wir sind gewohnt, sie im Blick auf Definitionen von Gott her zu lesen. Damit wird auch dieses Jesus-Wort statisch eingefroren.
Dabei zeigt sich der Gott der Bibel als lebendig und offen, aber nicht als beliebig.
Und er lädt damit ein, dass auch wir auf Zukunft und Lebendigkeit und Offenheit hin leben. Und nichts davon wäre beliebig.
Weil jede und jeder Einzelne immer noch die Verantwortung vor Gott behält und Rechenschaft ablegen muss.
Das Gleichnis von den Talenten gibt dabei die Richtung vor. Die beiden mit den fünf und drei Talenten gehen das Risiko ein und handeln und leben sind für Zukunft offen – und werden belohnt (das Risiko des Totalverlustes wird sogar völlig ausgeblendet). Der Rückwärtsgewandte, der den Herrn festlegt und definiert und keinerlei Risiko eingeht und das Leben scheut, wird verurteilt und bestraft.
Spannenderweise dürfen die ersten beiden die Talente behalten und bekommen noch welche hinzu. Was für ein Bild von Lebendigkeit und Leben. Was werden sie damit machen? Ist das Ergebnis „Beliebigkeit“? Das Ergebnis ist Leben.
Beliebigkeit ist aber der Begriff, der auf den mit dem einen Talent passt: Denn er hat nicht gelebt, alles ausgeschlagen, egal was. _Das_ ist Beliebigkeit. Wer Verantwortung übernimmt, ein Risiko eingeht und etwas wagt, ist nicht beliebig, sondern entscheidet sich gerade. Das kann sich als richtig erweisen oder als falsch. Aber es war nicht beliebig.
Nachdem ich das geschrieben habe, fällt mein Blick auf die „Gruppeninformation“. Da heißt es:
„Theologie ist oft rückwärtsgewandt und beschäftigt sich mit Ideen aus der Vergangenheit. In dieser Gruppe geht es um gute Theologie für die Zukunft.“
Wie schön!
Übrigens: Was bedeutet es, dass wir zu Weihnachten eine Geburt feiern?
Wer hat schon einmal ein Kind bekommen?
Kann jemand (womöglich bei der Geburt) das Kind „definieren“? Kann jemand sagen, wie es ihm ergehen wird, welche Wege es beschreiten oder befahren wird? Wie lange es leben wird und wie kurz?
Und dann kommt das zweite Kind: Wird es sich genauso entwickeln? Wenn eines sehr sicher ist: Es wird sich anders entwickeln!
Ist Weihnachten das Fest von Definition(en)?
Oder ist nicht Weihnachten vielmehr das Fest des Lebens?
Ein neues Leben kommt auf die Welt!
Zukunft kommt auf die Welt!
Hoffnung kommt auf die Welt!
Es wäre das tödliche Ende, wenn eine Definiton auf die Welt gekommen wäre: Starrheit. Festgelegtheit. Ende. Tod.
Wir aber feiern das Leben.
Trotz der Welt, die ist wie sie ist. Mit all dem, was das passieren kann. Trotz Putin, trotz Klimawandel, trotz Corona oder was auch immer. Trotz aller Karfreitage, Hinrichtungen, Raketen…
Der kleine Erlöser steht für Zukunft und Offenheit und Hoffnung.
Wofür stehen wir?