RHEINISCHER KONVENT: Ein Rückblick auf die Jahre 2005 bis 2025


Daniela Emge

Was war und wen vertrat der Rheinische Konvent?

Als Vereinigung der Pastorinnen und Pastoren der Evangelischen Kirche im Rheinland

vertrat der Rheinischen Konvent deren Interessen. Bei der Mitgliederversammlung am 20.09.2025 wurde einstimmig die Auflösung des Rheinischen Konvents zum 31.12.2025 beschlossen.

Es wird also in Zukunft keine eigene Vertretung der Pastoren und Pastorinnen mehr geben, die in privatrechtlichen Dienstverhältnissen, ehrenamtlich oder freiberuflich tätig sind oder waren – im Gegensatz zu den Pfarrern und Pfarrerinnen (so ist die offizielle, allerdings kaum bekannte Sprach-Regelung in der EKiR).

Im Jahr 2012 vertrat der Rheinische Konvent fast 550 Personen, zuletzt waren es etwa 335. Viele davon haben später Pfarrstellen bekommen. Sehr selten stößt noch jemand zu dieser Gruppe neu hinzu. Und viele sind schon oder bald im Ruhestand. Das alles sind nachvollziehbare Gründe dafür, dass sich im Rheinischen Konvent fast niemand mehr engagieren wollte.

Etwa 2/3 dieser Personen lebt innerhalb der EKiR. Der Rheinische Konvent vertrat auch die, die in anderen Landeskirchen oder im Ausland ihre Ordinationsrechte ausüben: ehrenamtlich oder gegen Bezahlung.

Für viele Themen, die speziell unsere Gruppe betreffen, gibt es inzwischen Lösungen – oder sie haben sich erledigt. Es ist fraglich, wie viel darüber hinaus noch erreicht werden kann.

Wir hoffen, dass sich der Evangelische Pfarrverein im Rheinland auch künftig für uns engagiert, zumal die Pfarrvertretung hingegen nur für die i.d.R. verbeamteten Pfarrstelleninhaber zuständig ist.

Deswegen haben wir auch beschlossen, den Restbestand unseres Kontos an den Rheinischen Pfarrverein zu überweisen.

Am Anfang vertrat der Rheinische Konvent auch die Interessen des Nachwuchses: im Vikariat (bzw. auf der Warteliste zum Vikariat), im Probe- und im Sonderdienst.

Ab 2008 war der Zugang zum Pfarrdienst neu geregelt worden, seitdem war bereits der Probedienst ein Pfarrdienstverhältnis auf Lebenszeit.  Für diese Gruppe war nun nicht mehr der Rheinische Konvent zuständig, sondern die Pfarrvertretung.

Außerdem unterschieden sich die Vikariats-Themen sehr von den unseren. Es war im Interesse beider Gruppen, dass eine Vikarsvertretung gegründet wurde.

Die Satzung des Rheinischen Konvents wurde 2012 entsprechend angepasst.

Im Jahr 2006 führte der Rheinische Konvent mit der Unterstützung des Landeskirchenamtes, das die Weiterleitung übernahm, eine Umfrage zu alternativen Verdienstmöglichkeiten für Theologen und Theologinnen durch. 81 Personen antworteten. Schon damals wurde die Vielfalt ihrer Tätigkeiten deutlich: Etwa 20 Personen waren in den Bereichen Medien, in der freien Wirtschaft oder in sozialen oder therapeutischen Bereichen berufstätig. Viele hatten sich weitergebildet. Die übrigen arbeiteten bei anderen Kirchen oder Einrichtungen, an Schulen oder in der Erwachsenenbildung. Und viele waren ehrenamtlich aktiv.

Das ist heute noch so: Manche haben auch Stellen in der Wissenschaft oder bei Verwaltungen, als Pastor bei einer Gemeinde oder Pastorin bei einem Kirchenkreis, in Freikirchen oder in Altersheimen. Einige verdienten allerdings zeitweise auch auf dem Bau ihren Lebensunterhalt, an einer Drogeriemarktkasse, in einem Kindermuseum oder mit Orgeldiensten. Viele haben versicherungspflichtige Stellen, allerdings oft befristet und in Teilzeit. Manche haben auch „Minijobs“ – und nicht wenige waren und sind selbstständig. Früher waren viele als Hausfrau und Mutter ausschließlich ehrenamtlich tätig, darunter nicht wenige Pfarrfrauen.

In allen Gruppen finden sich Menschen in unterschiedlichsten Lebenssituationen: Viele haben keine finanziellen Sorgen und einige haben nie eine Pfarrstelle angestrebt. Aber gerade manche freiberuflich Tätige leben unter prekären Bedingungen, und manche stocken ihre niedrigen Renten durch Honorar-Tätigkeiten auf. Wir sind eine sehr heterogene Gruppe!

Kommunikation mit kirchlichen Organisationen und Einzelpersonen

Mehrmals im Jahr trafen sich Vorstandsmitglieder mit Vertretern der für uns zuständigen Abteilung zum Austausch im Landeskirchenamt, meistens mit Dr. Lehnert und Herrn Plischke. Wir erhielten aktuelle Informationen und trugen unsere Anliegen vor.

Danebenarbeitete 2010 – 2016 die „AG Strukturierter Kontakt“ besonders mit Dr. Lehnert an uns betreffenden Regelungen. Dazu trafen wir uns meist in der Wuppertaler Jugendkirche bei Axel Neudorff, und sicher hat auch deren Atmosphäre zu einem sehr konstruktiven Austausch beigetragen.

Zu wichtigen aktuellen Themen verschickten wir spätestens seit dem Jahr 2006 regelmäßige Infobriefe (früher: „Newsletter“) und zusätzliche Mails und Stellenanzeigen. Wir führten persönliche Gespräche, die Internetseite (s.u.) ermöglicht (noch) den Zugriff auf viele Informationen und zeitweise auch einen Austausch über eine „Yahoo-Group“.

Zu verschiedenen Themen veröffentlichten wir Artikel, Stellungnahmen und Flyer.  Bei Landessynoden vertraten den Rheinischen Konvent als geladene Gäste: Sören Asmus, Martin Engels, Dr. Claudia Andrews, Axel Neudorf, Anne Simon und Peter Trollhan.

Verschiedene Vorstandsmitglieder vertraten unsere Interessen auch in Arbeitsgruppen oder Kommissionen der Landeskirche.

Auf Grundlage der Rückmeldungen auf die bereits erwähnte Umfrage entstand eine Vernetzungsliste samt Mailverteiler für Pastor*innen. Die erste Liste führte 40 Personen mit Kontaktdaten und Informationen über ihre Erwerbstätigkeit auf. Die Liste wuchs bis auf zuletzt etwa 100 Pastorinnen und Pastoren und etwa 50 „Ehemalige“. Sie förderte den Austausch über alternative Verdienstmöglichkeiten, Erfahrungen mit den Bewerbungsverfahren oder Kolloquien und berufliche Themen.

Seit 2002 wurden wir von Dr. Lehnert zu jährlichen Tagungen eingeladen. Seit längerer Zeit wirkte der Rheinische Konvent an diesen Tagungen aktiv mit (Andacht, Statements, Moderation).

Hier wurde über die uns betreffenden Themen informiert und manchmal wurden auch Anregungen von Teilnehmern aufgenommen und umgesetzt (z.B. die Ruhestandsregelung).

In diesem Rahmen wurde auch an Themen wie dem der „Gemeinschaft der Ordinierten“ gearbeitet – auch zusammen mit anderen Gruppen wie Prädikant*innen oder der Pfarrvertretung. Besonders in den letzten Jahren wurden auch interessante Referate gehalten, und nicht zuletzt gab es Zeit zum Austausch untereinander.

Seit 2021gab es auch einige Videokonferenzen für unsere Gruppe, erfreulicherweise nahmen daran auch mehrere Personen aus dem Ausland teil.

Situation nach dem Sonderdienst oder Probedienst

Den Sonderdienst gab esvon 1985 bis 2011 – und nur in der EKiR. Er war eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Landeskirche und zunächst auf drei Jahre befristet, später auf fünf und schließlich auf insgesamt zehn Jahre (wobei das Gehalt auf 80 % reduziert wurde).

Viele haben sich während des Sonderdienstes fortgebildet und spezialisiert: Etwa in der Krankenhausseelsorge. Das erleichterte oft den Weg in Pfarrstellen.

Aber nicht wenige wurden dann mit etwa 40 Jahren nach bis zu 10 Jahren Sonderdienst in die Arbeitslosigkeit entlassen.  Fatal war für viele, dass sie im Probe- und Sonderdienst verbeamtet waren – aber eben zeitlich befristet. Nach der Entlassung wurden die Betroffenen als Ausgleich für ihre Pensionsansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung „nachversichert“. Außerdem wurde ein Übergangsgeld gezahlt, das nach der Dauer der Anstellungszeit berechnet wurde. Aber längere Zahlungen von Arbeitslosengeld oder Fördermöglichkeiten wie Kredite für die Gründung einer „Ich-AG“ ersetzte es nicht.

Auch der Wechsel von einer privaten in eine gesetzliche Krankenversicherung und die oft hohen Versicherungskosten waren ein Problem.

Der Rheinische Konvent hatte sich seit 1996 (!)dafür eingesetzt, dass die befristeten Stellen in privatrechtliche Dienstverhältnisse, also „Angestellten- Stellen“ umgewandelt werden konnten. Als das endlich möglich war, lohnte es sich jedoch für die Betroffenen nicht mehr.

            Als der Sonderdienst auslief, war es noch schwerer Pfarrstellen zu bekommen als vorher. Jahre vorher waren Pfarrstelleninhaber unter attraktiven Bedingungen mit 58 Jahren in den Ruhestand gegangen, damit mehr Pfarrstellen für jüngere frei wurden. Später gingen also weniger in den Ruhestand, und dann wurde die Zahl der Pfarrstellen erheblich reduziert. Zudem bewarben sich nun viele nach oder während ihres Sonderdienstes gleichzeitig mit jüngeren Menschen, die den Probedienst bzw. Stellen „zur Anstellung“ („z.A.“) absolviert hatten.

Im Jahr 2000 gab es in der EKiR insgesamt etwa 2000 Pfarrstellen und an die 500 Personen im Sonderdienst (236) und im Probedienst (240).  Die meisten von ihnen hofften, auf die Dauer eine Pfarrstelle zu erhalten. 

Andere Landeskirchen hatten ihre Auswahlverfahren vor oder nach dem Vikariat. Die Betroffenen waren jünger und häufiger noch nicht familiär gebunden, was eine berufliche Umorientierung erleichterte.

Die Landeskirche unterstützte viele dabei, z.B. durch berufliche Perspektivberatungen durch die Firma Consult („Outplacement – Programme“). Etwa 2/3 der 68 Personen, die bis 2008 daran teilgenommen hatten, erhielten eine Festanstellung. Formate wie das „Lateinprojekt“ ermöglichten den Umstieg ins Lehramt.

Viele jüngere Theologen und Theologinnen aus dem Rheinland bewarben sich erfolgreich auf Stellen in anderen Landeskirchen oder im Ausland: u.a. in den USA, Frankreich oder England. Im Jahr 2018 hatten etwa 100 Personen aus dem Rheinland Pfarrstellen (im privatrechtlichen Dienstverhältnis) in der Schweiz.

Nicht wenige fanden aber zunächst keine angemessen bezahlte Stelle, manchen gelang es leider nie. Lange hatte sich die Kirche viele für einen späteren Bedarf „warmgehalten“. Und dann traf es viele materiell und psychisch hart.

Manche klagten vor Gericht gegen die Landeskirche (und bekamen manchmal sogar in Teilen Recht) oder machten ihre Situation im Lokalfernsehen öffentlich.

Wer entlassen worden war, erhielt wenig wertschätzende Schreiben der zuständigen Stellen aus dem Landeskirchenamt. Da ging es in Verwaltungsdeutsch um die personalrechtlichen und finanziellen Themen.

Manche wussten nicht, wie sie für sich und ihre Familien den Lebensunterhalt verdienen sollten. Der Inhalt und der Ton dieser Schreiben verletzten sie zusätzlich.

Die Zahl dieser Ordinierten wuchs rapide durch die Entlassung vieler „Boomer“ , zumal besonders viele damals Theologie studiert hatten. Zu den Examina traten in den 1980 er Jahren manchmal etwa 100 Personen gleichzeitig an.

Die meisten wollten ihre Ordinationsrechte bewahren. Das wurde uns nicht leicht gemacht: Damals waren wir zu ca. zehn Gottesdiensten p.a. verpflichtet, die wir ehrenamtlich halten sollten. Alle zwei Jahre sollten wir ausführlich (mit Orts- und Zeitangaben) über unsere pastoralen Tätigkeiten berichten.

Als später Kirchenrat Dr. Lehnert für uns zuständig war, änderte sich der Umgang mit uns sehr. Die verpflichtende Zahl der pastoralen Tätigkeiten wurde etwa halbiert und auch Religionsunterricht und andere bezahlte Tätigkeiten wurden als pastorale Dienste anerkannt. Auch die Beauftragung und die Berichte wurden einfacher. Letztere sind seit 2009 nach Erreichen des gesetzlichen Ruhestandsalters nicht mehr nötig.

Zentrales Bewerbungsverfahren

Ab 2008 musste der (oft nicht mehr junge) theologische Nachwuchs das zentrale Auswahlverfahren der Landeskirche durchlaufen, um eine Stelle mit besonderem Auftrag erhalten und sich auf andere Pfarrstellen bewerben zu können. Die uns vorher bescheinigte „Anstellungsfähigkeit“ berechtigte nicht mehr dazu.

Ein ähnliches Bewerbungsverfahren mussten auch die absolvieren, die nach dem Zweiten Theologischen Examen eine Stelle im Probedienst („zur Anstellung, z.A.“) erhalten wollten.

Dieses Bewerbungs-Verfahren war kein „Assessment-Center“, wie es sie in der freien Wirtschaft gibt: Wer sich bewarb, musste sich im Gespräch mit den Beauftragten der Landeskirche bewähren und nicht in der Gegenwart und in direkter Konkurrenz mit anderen, die sich beworben hatten.

Zuvor hatte der Rheinische Konvent mehrere Stellungnahmen und Pressemitteilungen veröffentlicht und hatte öffentlichkeitswirksame Aktionen durchgeführt. So konnte er u.a. immerhin erreichen, dass jährlich 20 zusätzliche „mbA-Stellen“ eingerichtet wurden.

Für die Bewerbung mussten diverse Unterlagen vorgelegt werden („Die Mappe“): Dabei waren auch Arbeits-, Fort- und Weiterbildungszeugnisse wichtig, und nun spielten die Examens-Noten eine so große Rolle, dass eine Bewerbung für viele völlig aussichtslos war: Sie konnten sich ausrechnen, dass sie bei der großen Zahl von Bewerbungen auf nur 2 x 10 Plätze im Jahr keine Chance hatten.

Der Konvent hat sich immer wieder für Korrekturen des Verfahrens eingesetzt: auch dafür, dass die Noten weniger und etwa ehrenamtliche Arbeit oder Erfahrungen durch Familienarbeit stärker bewertet wurden.

Beim ersten Durchgang des neuen Verfahrens bewarben sich aus unserer Gruppe 62 Personen, 20 wurden zum Bewerbungstag eingeladen (12 m., 2 w), 10 erhielten eine mbA-Stelle.

Insgesamt kamen von 2008 bis 2023 etwa 115 Pastor*innenüber das Zentrale Bewerbungsverfahren in mbA- bzw. Pfarrstellen, im Einzelfall mit über 60 Jahren.

Zuletzt bewarben sich nur noch ein bis zwei Personen. 2024 wurde das Zentrale Bewerbungsverfahren für unsere Gruppe wiederabgeschafft.

Für alle Pastor*innen gibt es nun wieder die Möglichkeit, sich nach einem erfolgreichen Kolloquium direkt auf Stellen zu bewerben.

Kolloquium

Ab 2010 ermöglichte ein Kolloquium bei Dr. Lehnert, die Wahlfähigkeit zu erhalten und sich auf Pfarrstellen in der EKiR zu bewerben. Die Voraussetzung für dieses Gespräch ist eine pastorale Tätigkeit im Angestelltenverhältnis über mindestens vier Jahre mit mindestens einer halben Stelle. Insgesamt traten seit 2013 89 Personen aus der Gruppe der Pastorinnen (59) und Pastoren (30) zum Kolloquium an, darunter 14 Personen aus dem Ausland. Die meisten „bestanden“ es und mindestens 53 dieser Personen kamen bisher in Pfarrstellen.

„Ergänzende pastorale Dienste“ auf Honorarbasis

Zu diesem Thema arbeitete zunächst eine Arbeitsgruppe des Konvents und später eine landeskirchliche Arbeitsgruppe. Dort engagierten sich u.a. auch die Superintendenten Bruckhoff (Aachen) und Dröge (Koblenz), ferner vom Rheinischen Konvent Michael Coors, Markus Risch und ich.

Wir waren uns einig, dass es auch die Möglichkeit „legaler“ und angemessen bezahlter Einzel-Dienste geben müsse (mir war nach einer Vertretung einmal ein größerer Schein aus einer Diakoniekasse zugeschoben worden … ).

Dr. Lehnert hatte sich sehr dafür eingesetzt, dass die Möglichkeit pastoraler Honorardienste 2009 von der Synode beschlossen wurde. Es hatte nicht nur Widerstand gegeben, weil das Modell nicht zum Pfarrbild passte, sondern auch Missverständnisse: Sollte der gesamte Pfarrdienst künftig auf Honorarbasis ausgeübt werden?! – Nein, der Pfarrdienst im Rahmen der Pfarrstellen (und i.d.R. im Beamtenstatus) sollte erhalten bleiben, aber er sollte durch andere Formen pastoralen Dienstes ergänzt werden. So kam es zu der etwas hölzernen Formulierung „Ergänzende pastorale Dienste“.

Für solche Dienste wurden Richtlinien mit Muster-Verträgen und Honorarvorschlägen erarbeitet. Letztlich muss ein Honorar frei ausgehandelt werden. Es ist dabei manchmal schwer zu vermitteln, dass von solchen Honoraren ggf.  auch Steuern, Versicherungen u.a. bezahlt werden müssen.

Doch die freiberuflichen Dienste sind inzwischen selbstverständlich und für manche noch immer eine wichtige Verdienstmöglichkeit.

„Ergänzende pastorale Dienste“ im Angestelltenverhältnis

Schon lange waren Ordinierte in privatrechtlichen Dienstverhältnissen tätig: Etwa in einer diakonischen Einrichtung, als Pastor für Jugendarbeit oder als Pastorin, die während einer Vakanz Vertretungsdienste übernahm. Nun war das auch offiziell und legal.

Treffen mit Kirchenleitungs-Mitgliedern im Jahr 2011

Im Mai 2011 kam es auf unsere Anregung hin zu einem Treffen mit Präses Nikolaus Schneider, Oberkirchenrat Manfred Rekowski und den Kirchenleitungsmitgliedern Renate Brunotte und Dr. Monika Lengelsen in Düsseldorf – Derendorf. Vorstandsmitglieder des Rheinischen Konventes nahmen Stellung, und Betroffene äußerten sich teilweise sehr aufgebracht über den Umgang der Landeskirche mit ihnen.

Präses Schneider sprach damals von früheren „Hilfs-“ und „Notmaßnahmen“ und äußerte Sätze wie: „Wir … hatten die demografischen Entwicklungen nicht auf dem Schirm.“ und: „Wir sind bereit, für die Bereiche, für die wir Verantwortung tragen, diese auch zu tragen. Wo wir Fehler gemacht haben, wollen wir diese benennen und dazu stehen.“ Renate Brunotte sprach aus, dass manche „massive Traumatisierungen erlebt“ hätten.

Bei diesem Treffen wurden eine Reihe von Änderungswünschen und Vorhaben formuliert, die unsere Situation verbessern sollten, die im Laufe der Jahre größtenteils auch umgesetzt wurden.

Handreichung

Die Broschüre „Ergänzende Pastorale Dienste. Eine Handreichung zum Dienst der Pastorinnen und Pastoren nach Art. 62aKO“ wurde im März 2015 veröffentlicht.

Sie fasst verschiedene rechtlichen Grundlagen zusammen und behandelt weitere Themen wie Kommunikationswege, Zuständigkeiten, Möglichkeiten der Einbindung auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen und Zugangsmöglichkeiten zum Pfarrdienst. Sie informiert ferner darüber, wie es zu der hohen Zahl rheinischer Pastor*innen gekommen war, die keine Pfarrstelle hatten. Allerdings gab es schon bald und immer wieder Aktualisierungsbedarf, heute ist sie nur noch digital unter ekir.de einzusehen.

Besondere Aufmerksamkeit fand in der Öffentlichkeit aber das Vorwort des Präses.

Entschuldigung des Präses

Präses Rekowski benannte im Vorwort der Handreichung auf S. 5 ausdrücklich die „tiefen Enttäuschungen und Verletzungen“ und „große wirtschaftliche Härten und persönliche Krisen“, die für viele mit der Entlassung aus dem Dienst und vergeblichen Bewerbungen verbunden waren. Auch schrieb er: „Der damalige Umgang mit dieser Personengruppe etwa bei der („administrativen“) Umsetzung beschlossener Maßnahmen ließ vielfach Wertschätzung vermissen. Die Leitung der Evangelischen Kirche im Rheinland bedauert dies sehr.“ Auf S. 6 dankte er ausdrücklich allen Pastoren und Pastorinnen für ihre ehrenamtliche Arbeit und die Beteiligung des Rheinischen Konventes an der Erarbeitung der Handreichung.

Ordinationsrechte und Freie Kasualrede

Überraschend erfuhren wir davon, dass die Ordinationsrechte derer, die auch als „Freie Redner“ aktiv waren, gefährdet waren: Diese Tätigkeiten seien mit der Rolle als Pastor oder Pastorin nicht vereinbar. Das betraf einige, die auch mit nicht-kirchlichen Feiern anlässlich Trauungen, Beerdigungen usw. einen Teil ihres Lebensunterhaltes verdienten. Nach einem Gespräch im LKA verfasste der Rheinische Konvent im Jahr 2012 eine Stellungnahme, die für die Vereinbarkeit der kirchlichen mit den „freien“ Tätigkeiten warb. Bei einer Konferenz der Superintendenten konnten wir uns mündlich äußern. Zunächst ließen die Verantwortlichen dann das Thema ruhen.  

Im Jahr 2020 gab es wieder einen ähnlichen Vorschlag. Wir veröffentlichten wieder eine Stellungnahme und später wurde eine Kompromiss-Regelung beschlossen: Sie hält zwar an der grundsätzlichen Nicht-Vereinbarkeit der beiden verschiedenen Tätigkeiten fest, aber die davon betroffenen Personen aus unserer Gruppe erhielten einen „Vertrauens-“ bzw. „Bestandsschutz“ und bleiben unbehelligt.

„Gemeinschaft der Ordinierten“

2015 beauftragte die Landessynode die Kirchenleitung mit der Erarbeitung von Leitlinien zu diesem Thema, für das sich Dr. Lehnert sehr engagierte. Wiederholt wurde bei Tagungen darüber diskutiert. Eine Arbeitsgruppe der Landeskirche erarbeitete dann Leitlinien dazu, die 2019 in Kraft gesetzt wurden. Sie sollen das konstruktive Miteinander der verschiedenen Gruppen der Ordinierten zu fördern.

„Härtefallregelung“

Um die früheren Härten zumindest teilweise auszugleichen gab es im Jahr 2020 die Möglichkeit, Anträge auf finanzielle Zuwendungen zu stellen.

Der Rheinische Konvent hatte bereits 2015/16 einen Fonds für finanzielle Unterstützungen für Pastor*innen in Notlagen angeregt. Dr. Lehnert nahm dies auf und setzte sich sehr dafür ein.

Es war inzwischen geklärt, dass es keinen Rechtsanspruch auf hohe Entschädigungszahlungen gab, wie sie teils auch vom Pfarrverein angeregt worden waren. Dennoch empfand die Kirchenleitung eine moralische Verpflichtung, besonders Betroffenen einen finanziellen Ausgleich für frühere Härten anzubieten.

Nach längerem Vorlauf und Treffen einer landeskirchlichen Arbeitsgruppe, in der sich verschiedene Betroffene engagierten, wurde eine entsprechende Regelung beschlossen. Sie beschränkte die eventuellen Zuwendungen auf die Gruppe derer, die die jeweils am längsten mögliche Zeit im Sonderdienst gewesen waren. Nur sie konnten einen Antrag auf solche Zahlungen stellen. Letztere wurden von der Situation nach der Entlassung abhängig gemacht, die noch einmal genau dargelegt werden sollte. Dies bedeutete einen großen Aufwand und auch eine psychische Belastung.

Ein Angebot, einen Antrag auf Zuwendung zu stellen, erhielten 140 Personen. 60 davon stellten einen Antrag, 57 davon wurden der zuständigen landeskirchlichen Kommission positiv entschieden.

Viele, die solche Zuwendungen auch „verdient“ hätten, gingen natürlich leer aus. Aber so haben zumindest viele ehemalige Sonderdienst-Pastor*innen eine teilweise Refinanzierung ihrer früheren Weiterbildungen oder anderer Kosten erhalten. Sie erhielten je bis zu 20.000 €.

Denen, die dazu bereit waren, sich hier zu engagieren und sehr persönliche und belastende Dinge vorzutragen, gilt auch unser Dank! Ohne ihren Einsatz hätte unsere Anregung wohl keinen Erfolg gehabt.

Weitere Verbesserungen – und vergebliche Bemühungen

Im Laufe der Jahre kam es auch zu weiterenpositiven Veränderungen in Bezug auf unsere Gruppe, etwa die Anerkennung der „Kirchlichen Examen“, als „Diplom“.  

Aber für einige Themen haben wir uns vergeblich eingesetzt. Auch Manches, was in den Papieren steht, wurde nur selten umgesetzt: etwa Synodalbeauftragungen für unsere Gruppe in den Kirchenkreisen.

Insbesondere wird die Rente für viele von uns sehr mager ausfallen – einige spüren das schon jetzt.

Gedanken zum Schluss

Der Rheinische Konvent war in mancher Hinsicht „seiner Zeit voraus“: Hier wurden Dinge erdacht und vorgeschlagen, die viele sich damals nicht vorstellen konnten, etwa die Berechnung von Durchschnittszeiten für pastorale Tätigkeiten. Inzwischen gibt es Arbeits-Zeit-Berechnungen wie „Zeit für’s Wesentliche“ für den Pfarrdienst und die Verbeamtung von Pfarrpersonen steht zur Diskussion.

Auch habe ich immer als außergewöhnlich empfunden, dass im Rheinischen Konvent eine gute Zusammenarbeit und Solidarität möglich war, obwohl manche bei Bewerbungen de facto miteinander konkurrierten.

Natürlich gab es auch Auseinandersetzungen und Frustrationen, Ärgerliches und Anstrengendes. Doch als wirklich verletzend empfand auch ich den früheren Umgang des Landeskirchenamtes mit mir – und den mancher Gemeinden im Zusammenhang mit Bewerbungsverfahren.

Seit 20 Jahren habe ich im Vorstand des Rheinischen Konvents mitgearbeitet: Das ist eine lange Zeit. Aber vor Gott sind „tausend Jahre wie ein Tag“ (Ps.90, 4). Schon jetzt wissen viele in unserer Kirche nicht mehr, dass es einmal eine „Theologen-Schwemme“ gab. In 20 Jahren werden es noch weniger wissen, so wie der neue Pharao nichts mehr von Josef wusste (Ex. 1,8).

Unsere Aktenordner werden wir bald dem Archiv der Landeskirche übergeben. Wird sich noch einmal jemand mit unserer Geschichte beschäftigen?

Wie dem auch sei: Wir verabschieden uns mit dem Gefühl, dass wir im Laufe der Jahre viel erreicht haben.

Und nicht zuletzt: Der Rheinische Konvent war für viele eine gute kirchliche Gemeinschaft – jenseits der Ortsgemeinden oder Kirchenkreise. Auch für mich. Dafür bin ich sehr dankbar!

Daniela Emge                                                                                   Essen, im Oktober 2025

Eine frühere, ausführlichere Version dieses Rückblickes findet sich (noch) auf

 www.ekir.de/rheinischer-konvent

Was ist „Tranzendenz“

Ein Gespräch im Talkformat „Doppelblick“ regte mich zu den folgenden Gedanken an. Der Link zum Gespräch mit Helmut Fink und Frank Vogelsang findet sich unten.

Die Welt ist zu komplex, um sie vollständig erfassen zu können.
Schon Bonhoeffer sagte: „Einen Gott, den ‚es gibt‘, gibt es nicht.“
Das heißt: Gott ist nichts, was immanent untersucht werden könnte oder fassbar wäre. Wenn es Gott gibt, dass nur in der Transzendenz. Und darüber haben wir nichts in der Hand.
Das heißt: Es gibt keinen Glauben ohne den Zweifel.

Naturwissenschaft wiederum kann nur in der Immanenz spielen.
In dieser Hinsicht kann man mit dem Naturwissenschaftler als Naturwissenschaftler auch nicht über Transzendenz diskutieren.
In der Naturwissenschaft gibt es keine Transzendenz.
Punkt.

An dieser Stelle: Was lerne ich aus der Bibel?

Den Realismus in der Immanenz.
Wie brutal diese Immanenz zu oft ist.
Das fängt leicht an mit Schweiß bei der Arbeit, geht über die Schmerzen bei der Geburt. Es folgen Neid, Brudermord, Krieg, Flut, Katastrophen, Krankheit, Tod.

Wenn man so will:
„Leben ist immer gefährdet. Wenn das Leben nicht mehr gefährdet ist, sind wir tot.“

Transzendenz ist m.E. Ausdruck der Hoffnung, dass dies nicht alles ist: Dass es (nicht erst) nach dem Tod noch etwas gibt: Gerechtigkeit, Frieden.
Dass mit dem Tod trotzdem noch „Beziehungen“ zu den Verstorbenen bestehen.

An dieser Stelle: Was lerne ich aus der Bibel?

Dass (damals?) übliche Vorstellungen, wie „Gott“ lebt, liebt, sich fortpflanzt, …, abgelehnt werden.
Gott gilt als der, als der er/sie/es sich erweisen wird.
Gott repräsentiert das Wunder all dessen, was so ist, durchaus auch in seiner Brutalität, aber in der Hoffnung auf ein gutes Ende.
Gott repräsentiert das Leben: Die Möglichkeit zur Entwicklung. Dass es weiter geht.
Dass es bei den Versuchen, weiter zu gehen, immer wieder auch Sackgassen gibt.
Sackgassen bis in den Tod.

Aber daneben, und dahinter, oder woanders: Da geht es weiter!
Keine Garantie! Eine Hoffnung.

Menschen mit einer PTBS (oder in einer schweren Depression) verfügen oft nicht mehr über die Fähigkeit, Hoffnungsbilder zu kreieren.
In ausweglosen Situationen ist oft nur die Hoffnung, dass es doch noch einen Ausweg geben wird, das Einzige, was beim Überleben hilft.

Die Auferstehung (Christi) ist immanent eine der unmöglichsten Tatsachen.
Immanent gibt es sie nicht.
Im Glauben an eine Möglichkeit in der Transzendenz entfacht sie eine ungeheure Kraft.
Ohne Garantie.

Zum Teil ist diese Hoffnung, sind diese Hoffnungsbilder ein Geschenk.

Zum Teil ist diese Hoffnung eine eigene Entscheidung.
Es hat etwas von Münchhausen (Sich am eigenen Schopf auf dem Sumpf ziehen), es hat etwas von Schönreden.
Aber ist die Welt nicht oft endlich und traurig und hässlich genug, um sie sich nicht schön zu reden?
Um nicht das Schöne zu genießen und Hoffnungsbilder für sich und die Welt zu entwerfen, daran zu arbeiten, daran zu glauben und Verantwortung zu übernehmen bei der Umsetzung?
Im Extremfall selbst dann, wenn es einen das Leben kostet, damit andere leben können?
Es gibt keine Garantie.

Transzendenz ist die Hoffnung (der Hoffnungsmotor?), Verantwortung zu übernehmen und nicht aufzugeben.
Transzendenz ist Ausdruck des Willens, seine Trauer zu gestalten und nicht darin zu versinken.
Transzendenz ist Ausdruck dessen, sich auf die Offenheit des Lebens einzulassen, zu staunen, selbst auf den Feind noch zugehen zu können und davon zu träumen, mit ihm ohne Rachegedanken noch einmal ein Bier oder einen Wein trinken zu können, weil dann alles gut ist.
Transzendenz ist der Protest gegen die Unbillen des Lebens. Sie können und dürfen nicht das Letzte sein, was bleibt. Transzendenz ist die Liebe, auf den Leidenden zugehen zu können und zu wollen, auf den Fremden, auf den Nächsten.
Transzendenz ist Ausdruck (nicht die Erklärung!) dessen, dass das Leben unfassbar ist, dass Anfang und Ende unfassbar sind.
Vielleicht ist das der Interpretationsfehler des biblischen „Alpha und Omega“, des Anfangs und des Endes, als das Gott gilt: Dass Gott quasi der Garant dessen ist, dass es Anfang und Ende gibt.

In Wirklichkeit ist es eher der Ausdruck dessen, wie unfassbar Anfang und Ende sind: So unfassbar wie Gott.

Transzendenz ist Ausdruck dessen, dass es keine absolute Moral gibt, an die man sich nur zu halten braucht und alles ist richtig. Transzendenz ist Ausdruck unserer (vorhandenen oder nicht vorhandenen?) Entscheidungsfreiheit. Es gibt immer nur die Moral, für die wir uns entscheiden und die wir mit anderen vereinbaren.

Transzendenz ist Ausdruck der Hoffnung, dass all unsere Fehlentscheidungen doch irgendwie zu einem guten Ende führen können.
Vielleicht könnte man auch sagen: Transzendenz ist eine andere Form des: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst!“ Machen wir das Beste daraus.

Das Beste daraus machen kann man wahrscheinlich nur mit Methoden der Immanenz: Verstehen wollen, Begründungen finden, Zusammenhänge suchen, sich daran orientieren. Aber all das nimmt uns nicht die Frage ab, wie wir uns im richtigen Moment richtig entscheiden. Entscheiden müssen wir uns selbst. Das ist nicht leicht. Das kann überfordern und „an die Grenzen bringen“.

Transzendenz ist Ausdruck einer Geborgenheit: Ich lasse mich drauf ein, ich mach es.

Transzendenz kann missbraucht werden. Transzendenz kann man missbrauchen.
Um andere zu unterwerfen und gefügig und abhängig zu machen.
Um eine Absolutheit zu behaupten, der sich alle anderen unter zu ordnen haben.
Da gilt es zu widerstehen, da gilt es, die Transzendenz offen zu halten.
Offen wie jenen Gott, der immer erst der sein wird, als der er sich erweisen wird.
Offen für eigene Entscheidungen.
Offen für das Leben, das bringen wird, was es bringt. Irgendwann nicht nur den Tod, sondern auch das „danach“.

Was immer das sein wird.

Transzendenz ist Ausdruck des Willens, nicht hoffnungslos leben zu wollen.

P.S.: Man merkt, dass ich eine gewisse hoffnungsvolle Biographie durchlaufen habe. Andere mögen Transzendenz als Ausdruck der Hoffnung auf Rache verstehen. Das wäre eine andere Entscheidung.
Wieder andere sehen in der Transzendenz die Möglichkeit, Absolutheit zu garantieren, die es in der Immananz nicht gibt. Auch das wäre eine andere Entscheidung. Aber beides sind nicht meine Entscheidungen.




Danke für das Gespräch, dass zu diesen Gedanken anregte.

Transzendenz – Worauf bezeiehn sich religiöse Aussagen?
Der Humanist und Physiker Helmut Fink und der Theologe Frank Vogelsang im Gespräch


„Auge um Auge“ – Was es wirklich bedeutet – und was nicht…

Immer wieder trifft man auf diese Worte aus dem Alten Testament.
Und es scheint so, als ginge es um einen rächenden und brutalen Gott des Judentums, dem die Christen die Botschaft der Feindesliebe entgegengesetzt haben.
Dabei gibt es die Feindesliebe in sehr konkreter Form schon im Alten Testament. Und die Zeiten, in denen das „Auge um Auge“ als „nur“ ein Auge für ein Auge die Blutrache begrenzen sollte, liegen schon lange zurück.
Zu den Zeiten, in denen das Alte Testament zusammen gestellt wurde, geht es um einen gerechten Ausgleich für das ausgeschlagene Auge, der von den Richtern im Tor des Ortes festgelegt werden soll. Was nutzt es dem Geschädigten, wenn der andere auch nicht mehr sieht? Der Geschädigte braucht eine ganz andere Form der Unterstützung und Hilfestellung.
Warum das so ist, erklärt Professor Vetter in seinem hier verlinkten Aufsatz:
Das „um“ wird sonst in der Bibel nämlich zu Recht mit „anstelle von“ übersetzt, legt Prof. Vetter überzeugen dar. Lesen Sie hier seine Ausführungen:


https://theopoint.de/wp-content/uploads/Dieter-Vetter-Auge-um-Auge.pdf

Gibt es eine Definiton von „Gott“ oder „Glaube“?

Lässt Gott sich definieren? Oder der Glaube? Gott entzieht sich jeder Definierbarkeit und ist dennoch nicht beliebig.

Lässt Gott sich definieren? Lässt Glaube sich definieren?
Warum definiert Kirche nicht (mehr) den „Glauben“?
Das fragt jemand in der Gruppe „Progressive Theologie“.

Ich antworte wie folgt:


Weil …
… Gott etwas ist, was sich der Definierbarkeit entzieht.
… in der Folge der Glaube etwas ist, das sich der Definierbarkeit entzieht.
… weil auch der Opfertod Jesu sich einer Erklärbarkeit entzieht.
… weil schon in dieser Welt (immanent) nicht alles erklärt werden kann…
… weil in der jenseitigen Welt (transzendent) die Erklärbarkeit grundsätzlich scheitert (sonst wäre es eine Sphäre der Immanenz).

Es bleibt die Herausforderung, mit all den Widersprüchen und Zumutungen dieser Welt irgendwie umzugehen: Mit Tausenden Fehlgeburten, mit Krankheiten, Naturkatastrophen, Krieg und zuletzt dem Tod. Damit umzugehen, ohne den Lebenswillen zu verlieren. Mit der Hoffnung, nie davon betroffen zu sein. Trotz des Wissens um den eigenen Tod.

Mit der Hoffnung, dass am Ende alles gut wird. Dass es noch irgendwie einen gerechten Ausgleich gibt und irgendwie ein Leben in Frieden und Freiheit.

Außer der religiösen Zusage, dass es diesen Ausgleich bei Gott gibt, haben wir nichts in der Hand. Dies kann nur geglaubt und gehofft werden. Nicht mehr und nicht weniger.

Das ist u.U. nicht viel. Und manchmal ist es alles, was noch beim Leben hilft.

Und es ist wie beim Gang über das Hochseil: Es gibt keine andere Möglichkeit, als selbst auf das Seil zu steigen.


Als Reaktion erhalte ich den Einwand, dann sei doch alles beliebig.
Und positiv: Jeder habe seine eigene Definition.
Das sehe ich anders:


Ich habe keinesfalls geschrieben, dass diese Begriffe an der individuellen Definiton jedes Einzelnen hängen.
Ich habe geschrieben, dass sie nicht definierbar sind.
Auch für den Einzelnen nicht.
Denn Gott bleibt Gott. Der nicht einfach ist, sondern der sich immer erst als der erweisen wird, der er ist.
Niemand verfügt über die göttliche Wahrheit außer Gott selbst.

Auch wenn man Gott nicht definieren kann, so ist doch Gott nicht beliebig. Auch die Wahrheit ist nicht beliebig. Gerade auch Gottes Wahrheit nicht.

Nur bleibt eben Gott Gott – und wir bleiben Menschen.

Ich halte es nach wie vor für eine gotteslästerliche und unbiblische Anmaßung, wenn Menschen versuchen, Gott zu definieren.

Wer Gott definiert, braucht nicht mehr zu glauben.
Er muss auch nichts mehr „auf dem Hochseil wagen“.
Wer Gott definiert, hat ihn in der Hand.
Die darin liegende Anmaßung liegt auf der Hand.
Wer Gott definiert, macht Gott zu einem statischen Etwas.

Was dabei herauskommt, hat aber mit dem Leben nichts mehr zu tun und auch nicht mehr mit dem lebendigen Gott.
Leben ist auf Zukunft offen. Was auf Zukunft offen ist, kann aber nicht festgelegt werden.
In diesem Sinne ist auch Wahrheit auf Zukunft offen.

„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben!“

Wege sind verschlungen. Es sind nicht zwingend feste Straßen oder Autobahnen. Manchmal klettert man über Zäune, schwimmt durch Flüsse. Aber Wege sind nicht beliebig, sondern ergeben sich durch das Gehen. Wer rechts abbiegt, kann nicht zugleich links abbiegen. Leben ist lebendig. Und das öffnet das Bild für die Wahrheit, die dementsprechend auch nicht statisch ist.

Es kommt darauf an, wie man die Bibel zu lesen gewohnt ist:
Wir sind gewohnt, sie im Blick auf Definitionen von Gott her zu lesen. Damit wird auch dieses Jesus-Wort statisch eingefroren.
Dabei zeigt sich der Gott der Bibel als lebendig und offen, aber nicht als beliebig.
Und er lädt damit ein, dass auch wir auf Zukunft und Lebendigkeit und Offenheit hin leben. Und nichts davon wäre beliebig.
Weil jede und jeder Einzelne immer noch die Verantwortung vor Gott behält und Rechenschaft ablegen muss.

Das Gleichnis von den Talenten gibt dabei die Richtung vor. Die beiden mit den fünf und drei Talenten gehen das Risiko ein und handeln und leben sind für Zukunft offen – und werden belohnt (das Risiko des Totalverlustes wird sogar völlig ausgeblendet). Der Rückwärtsgewandte, der den Herrn festlegt und definiert und keinerlei Risiko eingeht und das Leben scheut, wird verurteilt und bestraft.

Spannenderweise dürfen die ersten beiden die Talente behalten und bekommen noch welche hinzu. Was für ein Bild von Lebendigkeit und Leben. Was werden sie damit machen? Ist das Ergebnis „Beliebigkeit“? Das Ergebnis ist Leben.

Beliebigkeit ist aber der Begriff, der auf den mit dem einen Talent passt: Denn er hat nicht gelebt, alles ausgeschlagen, egal was. _Das_ ist Beliebigkeit. Wer Verantwortung übernimmt, ein Risiko eingeht und etwas wagt, ist nicht beliebig, sondern entscheidet sich gerade. Das kann sich als richtig erweisen oder als falsch. Aber es war nicht beliebig.


Nachdem ich das geschrieben habe, fällt mein Blick auf die „Gruppeninformation“. Da heißt es:

„Theologie ist oft rückwärtsgewandt und beschäftigt sich mit Ideen aus der Vergangenheit. In dieser Gruppe geht es um gute Theologie für die Zukunft.“

Wie schön! 🙂

Übrigens: Was bedeutet es, dass wir zu Weihnachten eine Geburt feiern?

Wer hat schon einmal ein Kind bekommen?
Kann jemand (womöglich bei der Geburt) das Kind „definieren“? Kann jemand sagen, wie es ihm ergehen wird, welche Wege es beschreiten oder befahren wird? Wie lange es leben wird und wie kurz?

Und dann kommt das zweite Kind: Wird es sich genauso entwickeln? Wenn eines sehr sicher ist: Es wird sich anders entwickeln!

Ist Weihnachten das Fest von Definition(en)?
Oder ist nicht Weihnachten vielmehr das Fest des Lebens?

Ein neues Leben kommt auf die Welt!
Zukunft kommt auf die Welt!
Hoffnung kommt auf die Welt!

Es wäre das tödliche Ende, wenn eine Definiton auf die Welt gekommen wäre: Starrheit. Festgelegtheit. Ende. Tod.

Wir aber feiern das Leben.

Trotz der Welt, die ist wie sie ist. Mit all dem, was das passieren kann. Trotz Putin, trotz Klimawandel, trotz Corona oder was auch immer. Trotz aller Karfreitage, Hinrichtungen, Raketen…

Der kleine Erlöser steht für Zukunft und Offenheit und Hoffnung.

Wofür stehen wir?

Peter Beier – Ein Testament?

Aus dem Bericht des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland auf der Landessynode 1993
(Schlußteil)

Vielleicht ist nun alles, was wir. . . erörtern und bedenken, bedeutungslos im Angesicht der umfassenden Bedrohung, in die wir unseren Planeten manövriert haben und weiter manövrieren.
Die Wälder sterben.
Diese Rasse wird nichts lernen, selbst dann nicht, wenn ihr die Sonne Krebsflecken auf die Haut brennt.
Die einzige Hoffnung, die bleibt, findet für mich in einem schlichten frommen Satz der Väter und Mütter im Glauben Ausdruck: Gott, der Herr, sitzt im Regiment.
Es wird regiert.
Das sind keine Selbstberuhigungen, sondern Aufforderungen zu zähem Kampf für den Bestand der Schöpfung und die Erhaltung der Art, wenn es Gott gefällt.
Hätte ich jetzt ein Testament zu hinterlassen, ich schriebe meinem Enkel so:
Komm, ich erzähl‘ dir die Geschichte vom Turmbau zu Babel.
Die Geschichte erzählt dir alles über mich und meine Generation.
Sie erzählt alles über den Menschen.
Du fragst, was wir mit eurer Zukunft gemacht haben.
Du fragst, was ich gegen explodierenden Wahnsinn unternahm.
Ich kann vor deinen Fragen nicht bestehen.
Was wir gesagt und getan haben, war halbherzig genug.
Ich gehörte zu denen, die in Gottes Namen warnen wollten.
Das war viel zuwenig, wir hätten widerstehen müssen.
Aber es mangelte uns an Phantasie und Löwenmut.
Es mangelte an gemeinsamer Sprache.
Wir haben geredet. Aber aneinander vorbei.
Wir haben argumentiert. Aber über Köpfe und Herzen hinweg.
Das ist unsere Schuld.
Du trägst die Folgen. Nicht ich.
Wenn es für dich etwas zu lernen gibt, dann das:
Unsere Maßstäbe, unsere Werte taugen nicht zum Überleben.
Unsere Sprache ist verbraucht.
Unsere Denkgewohnheiten sind verelendet.
Darum sei genau, mein Junge.
Gib keinen Rabatt auf nachträgliches Gejammer.

Die Menge der Leute wird dir versichern:
Das haben wir nicht gewußt. Glaub‘ ihnen nicht.
Sie haben gewußt, was zu wissen war.
Sie hätten es wissen können.
Andere werden dir sagen:
Wir konnten nichts machen.
Glaub‘ ihnen nicht.
Sie hätten eine Menge machen können.
Vergiß uns, mein Junge, wenn es sein muß.
Es ist Zeit, uns zu vergessen.
Wie die Turmbaugeschichte lehrt.
Mach‘ dich mit anderen auf die Suche nach der neuen Sprache.
Sie ist da.
Buchstabiere das Wort Jesu Christi, besser als es uns je gelang.
Misch‘ dich ein. Halte dich nicht heraus.
Aus Politik und Wissenschaft.
Mach‘ dich sachkundig.
Nimm den Spaten und betrachte die Erde.
Lies die Seekarten.
Sprich mit den Fischen.
Sie werden dir antworten.
Mach‘ keine große Karriere.
Besser ist es, zu widerstehen.
Vielleicht ist das Ende offen.
Für dich und die Deinen.

aus:
„Gemeinde … Oase für Kinder“

Von den Chancen der Arbeit mit Kindern in der Kirche.
Eine Arbeitshilfe, vorgelegt vom Ausschuß „Arbeit mit Kindern“ der Ev. Kirche im Rheinland, Düsseldorf 1993/1994

Titelbild der Arbeitshilfe "Gemeinde ... Oase für Kinder"

Informationen zu Peter Beier (1934-1996):
https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Beier

Hausarbeit zu dieser Arbeitshilfe:
Gemeinde – Oase für Kinder

Ulrich Bach, Millimetergeschichten

Ulrich Bachs Texte und Gedanken haben meinen Glauben geprägt, mir durch die eine oder andere theologische Prüfung geholfen. Seine Texte sind einige Jahre alt. Aber sie können noch heute das Herz bewegen. Ich habe es erst letzte Woche wieder erlebt, als ich einige Texte vorgetragen habe.

www.ulrich-bach.de

Frieden schaffen ohne Waffen

Hat er ausgedient, der alte Slogan: „Frieden schaffen ohne Waffen!“?

Man hört es oft.

Ich finde den Slogan immer noch wichtig und richtig.

Hat der alte Slogan ausgedient?

Hat er ausgedient, der alte Slogan: „Frieden schaffen ohne Waffen!“?

Man hört es oft.

Ich finde den Slogan immer noch wichtig und richtig.

1. Außer in den USA käme wohl niemand auf die Idee, Kinder bewaffnet zur Schule zu schicken, damit sie dort sicherer und friedvoller lernen könnten.

2. Ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem Deeskalation zur polizeilichen wie militärischen Strategie gehört.

3. Damit wird deutlich, dass es wohl ohne Waffen nicht geht. Dass Frieden durch polizeiliche und militärische Macht abgesichert sein muss. Leider. Wir leben nicht im Paradies.

4. Aber ich würde heute alle unterstützen, die mit diesem Slogan in Russland oder Weißrussland auf die Straße gehen. Die mit diesem Slogan deutlich machen wollen, dass es 2022 keine gute Idee ist, ein Nachbarland zu überfallen und seine zivilen Einrichtungen wie Krankenhäuser und Theater und seine Kulturgüter in Schutt und Asche zu legen, um eine großrussische Utopie und gegenseitige russische „Verbundenheit“ auszudrücken.

5. Die immer stärkeren Sanktionen gegenüber Russland und russischen Oligarchen sind ebenfalls Ausdruck des alten Slogans und von der Hoffnung getragen, Menschen in Russland dazu zu bringen, mäßigend auf ihren Präsidenten einzuwirken und auf seinen Rückzug zu drängen.

6. Kein Slogan hat allgemeine Gültigkeit.

Schon gar nicht einer, der lauten könnte: „Frieden schaffen nur mit Waffen!“

7. Aber die tiefe Wahrheit in jener anderen Formulierung liegt in der Erkenntnis: Frieden werden werden wir erst haben, wenn jene Waffen schweigen.

Wenn wieder Menschen unbewaffnet an Gräbern und Kriegsgräbern stehen, betroffen, dass ein solcher Angriff 2022 möglich war, wie viele Gräber er hinterlassen hat, wie viel Schaden, wie viel Traumatisierung und PTBS.

Wenn Menschen gemeinsam die Zerstörung aufräumen und neue Lebenswelten schaffen.

Das wird nur ohne Waffen gehen.

Bagger statt Panzer. Flugscharen statt Schwerter.
Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten statt Kasernen.

8. Wie gesagt: Ganz ohne Waffen wird es nie gehen.

Aber eben auch nicht ohne jene Utopie.

Wer die nicht träumt, wird es auch mit schwersten Waffen nicht schaffen.

Frieden schaffen ohne Waffen. Deswegen habe ich verweigert. Martin Luther King gelesen, Zivildienst geleistet.

Es braucht Menschen wie Benjamin Isaak-Krauß , die das studieren und davon predigen und publizieren und damit nicht ohne Erfolg arbeiten.

Aber auch er ist immer wieder darauf angewiesen, dass solche Bemühungen gut ausgerüstet abgesichert werden. Da sind wir beide möglicherweise unterschiedlicher Meinung.

9. Ich habe hohen Respekt vor beiden: Vor Menschen, die ihr Leben unbewaffnet riskieren, um Frieden wieder möglich zu machen, als auch vor (Bundeswehr-) SoldatInnen, die ihre Leben einsetzen, um kämpfend Frieden möglich zu machen. (Zum Glück hält sich die NATO militärisch zurück. Zum Glück müssen „meine“ Soldaten noch nicht aktiv kämpfen.) Im Häuserkampf wird der erste einer kämpfenden Einheit zu 95 % nicht lebend zurückkehren, habe ich gelernt. Das ist diesen Soldaten und ihren Vorgesetzten sehr bewusst. Und sie lassen sich darauf ein, weil ihnen Menschenrechte und Demokratie und Freiheit so wichtig sind. Wird und wurde ihnen dafür der nötige Respekt entgegen gebracht? Mit dem Slogan „Soldaten sind Mörder“ wohl eher nicht.

10. Frieden werden wir aber wohl nur gemeinsam erreichen können.

Ohne Pazifisten und ohne dass Bewusstsein für die gute Utopie des Friedens ohne Waffen werden wir uns dem Aggressor so ähnlich machen, dass es für niemanden auf der Welt gut ist.

„Frieden schaffen ohne Waffen!“

Was können wir den Diktatoren in dieser Welt bieten, dass sie sich auf eine Weltordnung einlassen, in der Menschen in Frieden und Freiheit leben können?

Bieten wir da genug? Haben wir schon genug probiert, was an zivilen Mitteln möglich ist? Haben wir es wirklich – wo doch unser Lebensstil maßgeblich anderen Menschen in der Welt den Lebensraum nimmt?

Der Slogan bleibt ein Stachel in unseren Gedanken. Ein Ansporn für Phantasie und guten Willen, solch eine schreckliche „Spezialoperation“, solch eine zerstörerische Aktion unmöglich zu machen und politische Systeme rechtzeitig so zu transformieren, dass es nie wieder einen solchen Angriff geben kann.

Nie wieder?

Auch so ein Traum, von dem wir nie ablassen dürfen. Auch wenn es dazu nötig ist, wehrhaft zu bleiben.

Zum Freispruch von Olaf Latzel

Wichtiger als der Glaube ist die Liebe!

Wichtiger als der Glaube ist die Liebe

Heute werde ich anlässlich der Hochzeit zweier mir sehr wichtiger Menschen in der Kirche 1. Kor 13 lesen.
Die Verse gipfeln in der Behauptung, wie wichtig Glaube, Hoffnung und Liebe seien.

Olaf Latzel sollte nach seinem Freispruch eines wissen: Wenn Glaube und Liebe in Konkurrenz geraten, hat die Liebe für Paulus den Vorrang. „Doch die Liebe ist das Größte und Wichtigste unter ihnen.“

Keine Bibelstelle, keine „Schöpfungsordnung“, überhaupt nichts seither rechtfertigt, sich derart abfällig über Menschen zu äußern, die nicht heterosexuell lieben (oder die auch auf eine andere Weise glauben), wie er – Latzel – es getan hat.

Eigentlich gehört 1. Kor 13 gar nicht auf eine Hochzeit. Sondern das Kapitel sollte auf jeder Ordination oder jeder Priester- und Bischofsweihe oder Einführung in ein kirchliches Leitungsamt gelesen werden. Wenn also Menschen zu „Glaubensfuntionären“ berufen werden.

Über den Glauben zu wachen, ist ein wichtiges Amt. Aber nicht der Glaube ist das Wichtigste, sondern die Liebe.

Und dann passt es auch wieder auf die Hochzeit. Und gerade auf diese doch auch glaubensverbindende Hochzeit.
Bernd Kehren

Friedenspolitische Fragen zu einem Appell für zivilen Widerstand

Überlegungen zu einem friedensethischen Beitreag von Ralf Becker, Koordinator der Initiative „Sicherheit neu denken“ der Evangelischen Kirche in Baden, der eindringlich für zivile Widerstandsmethoden wirbt und entschieden der herrschenden Logik militärischer Eskalation widerspricht, erschienen in Zeitzeichen.net

Überlegungen zu einem friedensethischen Beitrag von Ralf Becker, Koordinator der Initiative „Sicherheit neu denken“ der Evangelischen Kirche in Baden, der eindringlich für zivile Widerstandsmethoden wirbt und entschieden der herrschenden Logik militärischer Eskalation widerspricht, erschienen in Zeitzeichen.net Man sollte ihn gelesen haben, um die hier folgenden Fragen und Anmerkungen zu verstehen.

Was Ralf Becker leider nicht erwähnt: Gewaltfreiheit ist nicht nur auf einen gewaltfreien Widerstand angewiesen, sondern auch auf einen Gegner, der bereit ist, sich darauf einzulassen. Mit Putin statt Gorbatschow wären wahrscheinlich auch die friedlichen Proteste in der DDR ganz anders ausgegangen.

Meint jemand ernsthaft, wer sinnlos zivile Ziele angreift, ließe sich durch zivilen Protest stoppen?

Wenn zivile Proteste doppelt so oft wirken wie gewaltsamer Widerstand, wie Becker schreibt, bleibt immer noch ein Drittel der Konflikte, bei denen sie nicht wirken.

Der gewaltfreie Widerstand braucht Gruppen, die ihn gehen. Die genügend vernetzt sind, die konkrete Strategien haben, die darauf vorbereitet haben. Die ihren Widerstand unter den Bedingungen aktueller digitaler Überwachungsmöglichkeiten konspirativ verabreden können. Das braucht Strukturen.

Wo gibt es die?

Wäre Widerstand wie in Prag 1968 heute in der Form so noch möglich? Wir sind mehrere Jahrzehnte weiter und Diktatoren haben ganz andere Überwachungsmöglichkeiten.

Was nutzen uns Befragungen, wie viele Menschen gewaltfreien Widerstand üben würden, wenn ich bisher nicht wahrnehmen konnte, dass dazu bevölkerungsübergreifend Strukturen entwickelt wurden? Wie muss ich mich sinnvoll in einem solchen Fall verhalten?

Martin Luther King hatte seinerzeit im Blick auf Überwindung der Rassentrennung entsprechende Trainings veranstaltet. Wo gibt es Initiativen, wie im Falle eines Falles effektiver gewaltfreier Widerstand wie der gegen Putin aussehen müsste? Wo gibt es Trainings? Wo wird man auf Verhörsituationen vorbereitet? In der nötigen Breite unserer Bevölkerung?

Ja, lasst uns Krieg ächten! – Und wenn das jemand nicht will, wenn er geheimdienstliche Strukturen aufbaut, das Recht verachtet und weltweit eine Fakenews-Kommunikation unterstützt und Menschen dazu bringt, niemandem mehr zu glauben? Wie soll da effektiver Widerstand gelingen, wenn es nicht einmal möglich ist, eine Impfkampagne auf die nötige Impfquote zu bringen?

Was müsste sich da kurzfristig im Blick auf Bildung und Demokratie ändern? Was wäre zu tun?

Müsste da womöglich endlich einmal ein Schulterschluss auch von Bundeswehr und Friedenspolitik geübt werden, damit sich zwei große Partner im Blick auf effektive Strukturen vernetzen und sie nicht als Gegner betrachtet werden?

Wie viele Jahre des „suchet der Stadt bestes“ müsste man ertragen wollen, wie viele Verschwundene in Straflagern und Geheimkellern, bis ziviler Widerstand einen Menschen wie Putin gestoppt hätte?

Und was bedeuten in diesem Zusammenhang Texte wie der des Lobgesangs Mariä, in dem die Hohen erniedrigt werden? Ist Gottes Handeln da immer gewaltfrei zu denken?

Was nutzt uns ein Perspektivwechsel bis 2040, wenn Putin jetzt völkerrechtswidrig ein Land überfällt?

Was nutzt der Hinweis auf die Entspannungspolitik und die entsprechenden EKD-Denkschriften, wenn die atomare Abschreckung nicht mehr funktioniert, die eine Voraussetzung dafür war, und so Putin diesen Angriffskrieg wagen konnte?

Ich habe vor allem Fragen, keine Antworten. Vor allem keine kurzfristigen. Was müsste geschehen, dass Menschen in unserer deutschen Komfortzone zu Helden des gewaltfreien Widerstands werden? Im Sinne des Amtseids der Bundeswehr, Freiheit und Demokratie auch unter Einsatz des Lebens – aber dann gewaltfrei – zu verteidigen? (Gewaltfrei nur gegen Personen oder ist gezielte Sabotage möglich?) Wie müsste eine Gesellschaft strukturiert sein, die ihre Wirtschaft effektiv gegen einen Agressor blockiert, ohne dabei so zusammenzubrechen, dass es zivile Tote durch Unterversorgung gibt?

Viel dezentraler sicherlich! Aber wie noch?

Wie stark – auch wie militärisch stark – muss ein Staat sein, um eine gewaltfreie Auseinandersetzung führen zu können? Und was heißt in diesem Zusammenhang „gewaltfrei“, wenn eine solche Strategie gewaltige Wirkung zeigen soll?

Wie „stark“ muss ein Staat sein, auch strukturell: Kommunikationsstrukturen, Datensicherheit, dezentrale Energieversorgung, Vorratshaltung, Versteckmöglichkeiten, Zusammenhalt, Bunkermöglichkeit, Doppelstrukturen, Reserven (Energie, Wasser, Strom, Grundnahrung, medizinische Versorgung) und Ausfallsicherheit?

Wie viel Leidensfähigkeit und Leidenswillen und Bewusstsein für Freiheit ist bei seinen Bürgerinnen undf Bürgern nötig – und das ohne querdenkerische Unvernunft? Wie viel Vertrauen in demokratische Strukturen? Wie viel Bildung, naturwissenschaftlich und sachlich, um selbständig gegen fakenews und Desinformation gerüstet zu sein?

Ich kann mich noch daran erinnern: An die Angst vor den russischen Panzern bei den großen Demonstrationen in der DDR zum Schluss. Es ist gut ausgegangen. Heute erleben wir: Das war kein Naturgesetz.
Das heißt nicht, dass ich gegen Gewaltfreiheit wäre: Man hat ihn oft belächelt und kleingeredet, den „Gewaltverzicht“ der deutschen Heimatvertriebenen nach dem Ende des 2. Weltkriegs (Was nicht verwunderlich ist angesichts eines lange Zeit leider weit verbreiteten Revanchismus in jenen Kreisen). Aber ohne ihn wäre ich möglicherweise als kleiner und jetzt großer Partisanenkämpfer aufgewachsen.

Jede gewalttätige Auseinandersetzung kann nur dann enden, wenn mindestens eine Partei bereit ist, auf Gewalt zu verzichten, die sie einsetzen könnte. Das setzt ein gutes moralisches Urteilsvermögen voraus. Leider auch beim Gegner. Aber leider auch bei einem selbst. Was zur Frage führt: Hatten wir angesichts der internationalen auch wirtschaftlichen Verflochtenheit genug davon? Wo haben wir uns um unseres Wohlstandes willen auf moralisch zweifelhafte Geschäfte eingelassen, die uns nun auf die Füße fallen? In kirchlichen Kreisen haben wir viel getan und gedacht. Sehr viel. Aber war es genug? Wo waren „wir“ dann doch schlicht Wohlstandsmitläufer? Wo haben wir die Augen verschlossen? Wo dachten wir, bei den Guten zu sein und waren doch trotzdem Teil des Bösen?

Und wo sind „wir“ es jetzt, wenn 2% in Rüstung und Sicherheit gehen sollen? Schreien wir laut genug, dass Deutschland sich schon lange auf 2% für Entwicklungsarbeit verpflichtet hat, dass es dann auch da endlich ein entsprechendes Sondervermögen geben muss und entsprechende dauerhafte Ausgaben im Staatshaushalt?

Noch mal: Viele Fragen. Was nicht heißt, dass man einen solchen Weg nicht gehen kann oder gehen soll, sondern dass er nur gegangen werden kann, wenn man sich um entsprechende Antworten bemüht.

Bernd Kehren

Kabarett-Gott ?!

Mit welcher Vorstellung beginne ich, die Bibel zu lesen: jenes schöne Kapitel, mit den Sonne und Mond und den sieben Tagen?

Mit welcher Vorstellung beginne ich, die Bibel zu lesen: jenes schöne Kapitel, mit den Sonne und Mond und den sieben Tagen?

Die Frage ist halt, welches Bild von Gott wir haben wollen:
Ist er eher der Bio- und Erdkundelehrer, der unbedingt die Naturkunde im ersten Kapitel der Bibel unterbringen wollte?
Oder der Sowilehrer?

Oder kann man sich Gott als Kabarett-Texter denken, der einen genialen Text für eine Aufführung in Babylon geschrieben hat?
Und ich sehe die Juden mit trappelnden Füßen vor mir, wie der Vers mit den beiden großen Lampen am Himmel kommt, und sie denken sich in den Applaus hinein, dass es förmlich laut hallt: „Und du, König von Babylon, der du dich für das Ebenbild von Gott Sonne hältst und Schiss hast vor Gott Mond in der Nacht: Du fürchtest dich nur vor einer kleinen Lampe am Himmel. Und Ebenbild bist du … von einer großen Lampe. Herzlichen Glückwunsc h, Du Ebenbild der großen Lampe….“
Und dann kommt die Stelle mit dem „Gott schuf den Menschen zu seinem Ebenbild, männlich ebenso wie weiblich.“
Und den Zuhörerinnen und Zuhörern läuft es erregt den Rücken rauf und runter: Nicht nur der da oben, nein jeder Mensch soll als Ebenbild Gottes gelten.

Und so wurde der Erdkundelehrergott für mich völlig bedeutungslos.

Aber Jesus später, der mit dem „was ihr dem Geringsten (nicht) getan habt, habt ihr mir (nicht) getan“, der von sich als dem „ben Adam“, dem Menschen sprach und vielleicht doch nicht einen Würdetitel im Blick hatte, sondern Gen 1 , dass doch jeder Mensch Ebenbild Gottes sei, eben Mensch, der brachte das wieder in Erinnerung.
Lebt als Ebenbilder Gottes. Mensch sein und Mensch sein lassen…

Ich mag Gott, der Spaß hat an Literatur, an Kabarett, an Humor, an Gedichten und Liebestexten. Der anleitet, zu seinen Gefühlen zu stehen und zu Hasspsalmen. Weil, wenn man es artikulieren kann, vielleicht doch nicht umsetzt.
Weil der Feind doch auch nur ein Ebenbild Gottes ist…
Und so haben wir eine wunderbare Bibel bekommen.
Und kein Bio- oder Erdkundebuch.

Gottesdienst 29.08.2021 – Zülpich

Abel wird seinem Bruder Kain, dem Erstgeboren, vorgezogen. Was macht das mit Kain, wie reagiert Gott, und warum füllt die Bibel die Lücke des Schweigens?

Ev. Christuskirche Zülpich

Es geht im Kirchenjahr am 13. Sonntag um Nächstenliebe.
In diesem Lesejahr geht es aber insbesondere um den Brudermord von Kain an seinem Bruder Abel.
Warum ist Kain so sauer, wie reagiert Gott, warum füllen manche Übersetzungen eine Lücke des Schweigens mit einer Aufforderung und wie geht die biblische Geschichtsschreibung weiter? Über Kain oder über Abel – und was bedeutet das?
Ein Gottesdienst am 29.08.2021 in der Christuskirche zu Zülpich mit Militärpfarrer Bernd Kehren

Offen reden über Assistierten Suizid

Solange Kirche und/oder Gesellschaft das Reden über assistierten Suizid tabuisiert, werden Menschen diesen Weg in größerer Einsamkeit eher alleine gehen. Nur das offene und ergebnisoffene Gespräch wird die Möglichkeit haben, auch lebensförderne Aspekte mit ins Gespräch zu bringen. Gerade auch im Kontext der wichtigen palliativen Betreuung.

Aus Anlass einer offenen Stellungnahme einer Kollegin

Diese Stellungnahme findet man unter https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2021/51517/kann-man-sterbehilfe-rechtlich-regeln und ich freue mich über die Offenheit, mit der Sie diese Fragen anspricht und über die Offenheit, die Sie fordert.

Ich würde mir wünschen, dass Kirche und die „Offiziellen“ der Palliativszene offen und ehrlich über den „Graubereich“ aus jenem Beitrag hinter diesem Link oben reden, den es in der palliativen Betreuung gibt und den es dort geben muss. Und dass es dann in diesem Kontext diesen Graubereich auch in christlichen Alten- und Pflegeheimen geben darf.

Und dann brauchen wir eine offensive Diskussion darüber, dass lebenswertes Leben nicht nur auf der Überholspur des Lebens lebenswert ist, sondern auch (wer stellt das infrage), wenn doch jeder Mensch schwer pflegebedürftig auf die Welt kommt und (das stellen viele infrage) viele zuletzt auch wieder pflegebedürftig werden und auf mehr oder weniger Hilfe angewiesen sind.
Mal ganz ehrlich: Auch auf der „Überholspur des Lebens“ sind wird auf andere angewiesen. Nur weil deren Hilfe anonym an der Kasse bezahlt werden kann, heißt es doch nicht, dass wir davon unabhängig sind. Nur weil wir uns großzügig aussuchen können (je nach Einkommen), was wir in den Einkaufswagen legen.
Was bilden wir uns auf unsere vermeintliche Autonomie alles ein und merken gar nicht mehr, wie sehr wir abhängig von anderen Menschen sind – und wie sehr wir denen durch unseren Lebensstil auch schaden.
Wenn wir nicht schnell genug sind: kaufen wir ein Auto mit viel PS.
Dass auch ein Rollator uns helfen kann, Autonomie zu behalten oder ein Pflegedienst oder ein Seniorenheim oder ein Hospiz: Wer spricht darüber? Wer sieht das halbvolle Glas mal von dieser Seite?

Ich war lange Zeit Altenheimseelsorger und habe dort viele dankbare und glückliche Menschen erlebt.
Aber auch Unglückliche erlebt, die über ihren Todeswunsch nicht sprechen konnten – und dann auf eine Weise aus dem Leben geschieden sind, die ich niemandem wünsche. Denen hätte ich gewünscht, dass sie die Offenheit gespürt hätten, darüber zu sprechen. Vielleicht hätte man dann die Umstände verändern können, die am Leben hindern. Oder zumindest mit ihnen gemeinsam ringen können, ihnen dabei beistehen können, Und wenn nicht, hätte ich ihnen einen assistierten Suizid gewünscht, der im Gegensatz zur Weise, wie sie einsam aus dem Leben geschieden sind, wenigstens ein wenig mit Menschenwürde in Verbindung gebracht werden könnte. Nein, deutlich mehr.

Das offizielle Sprachtabu verhindert keinen (assistierten) Suizid, befürchte ich, sondern fördert sie nur.

Lasst uns vom Leben sprechen, das es ohne Schmerz nicht gibt. Von dem man mehr aushalten kann, als man denkt.
Lasst uns ehrlich über die „Vögel unter dem Himmel“ sprechen, „die unser himmlischer Vater ernährt“ – und von den Würmern und kleinen Fröschen usw., mit denen er sie ernährt. Lasst uns ehrlich von den grünen Wiesen sprechen, auf denen Gott uns begleitet (das tun wir nur zu gerne), aber eben auch von den finsteren und tiefen Tälern des Lebens. Davon, dass Gott manchmal zulässt, dass sie tiefer sind, als wir es ertragen können. Aber auch von den Möglichkeiten, mit denen wir es erträglich machen können.

Ich wünsche mir eine Kirche, die nicht strikt Nein sagt, sondern auch ganz offen die Bereitschaft deutlich macht, dass Seelsorgerinnen und Seelsorger drüber sprechen können und einen nicht im Stich lassen, wenn jemand dann doch den Notausgang aus dem Tal nehmen will. #chrismon.evangelisch.de

R-Werte, Exponentialfunktionen und wie lange der Lockdown noch dauern kann

Wenn Du ein Gefühl dafür bekommen möchtest, warum R-Werte schon bei 1,1 sehr gefährlich sind und warum man die Entwicklung am Anfang nahezu zwangslöufig unterschätzt.

Ein einfaches Rechenblatt zum näheren Verständnis

Das Folgende ist nützlich, wenn Du ein Gefühl dafür bekommen möchtest, warum R-Werte schon bei 1,1 sehr gefährlich sind und warum man die Entwicklung am Anfang nahezu zwangsläufig unterschätzt.

Rechne es selber nach.
Ich beschreibe im Folgenden, wie ich die Excel-Tabelle aufgebaut habe, die Du hier herunterladen kannst:

Zu den Werten des R-Wertes vorab: Ein R-Wert bei 2 wäre die absolute Katastrophe. Auch kleine Werte wie z.B. 1,2 sind gefährlich.

Nimm mal eine Excel-Tabelle und trage ins erste Feld A1 eine 1. Und daneben in C1 einen R-Wert von 1,1.Und dann darunter in A2 „=A1*$C$1″Und dann kopieren Sie A2 und fügen es auf A3 ein. Und auf A4 usw. Das machst Du z.B. bis 50 oder 100 und schaust Dir die Entwicklung der Werte an.

Und dann spielst Du mal in C1 mit den Werten. Treag mal einen Wert von 1,2 ein von 1,3. Vielleicht auch mal 1,01 oder 1,001.

Nur, damit Du mal selber siehst, was „seit Monaten bei 1“ ganz radikal bedeutet, sobald der R-Wert größer als 1 ist.

Im Ergebnis siehst Du eine lange sehr flache Entwicklung, die dann plötzlich sehr steil steigt. Und Du bekommst ein Gefühl dafür, wie gefährlich kleine R-Werte sind, sobald sie größer 1 sind.

Im Ergebnis hast Du ein grobes Modell für die Entwicklung der Infektionszahlen im Wochenabstand. Und Du verstehst, warum ungefähr Anfang November die Kurve massiv gebremst werden musste. Und warum ohne diese Maßnahmen in Deutschland seit Anfang Dezember 2020

Eine Exponentialfunktion mit dem R-Wert 1,2
R-Wert von 1,2 – Unten könnte man die Zahl der Wochen annehmen.

keine Intensivbetten mehr frei gewesen wären.
Auf dem Dashboard des RKI kannst Du dann die Kurve „COVID-19-Fälle/Tag nach Erkrankungsbeginn, ersatzweise Meldedatum“ groß anzeigen lassen und mal schauen, wie die R-Werte im Sommer waren, wie sie Anfang November 2020 steil anstiegen, und wie gut die Excel-Tabelle den groben Verlauch dazu darstellt. Und warum es gut ist, dass der exponentielle Anstieg erfolgreich gestoppt wurde.

Und wie lange wird unser kleiner Lockdown noch dauern?

Dazu nimmst Du die Excel-Tabelle und trägst oben statt „1“ die aktuelle Zahl der Infizierten ein (heute: ca. 120 000) und nimmst als aktuellen R-Wert 0,8.
Da kommen noch einige Wochen zusammen.
Wenn wir alle dazu beitragen, dass der R-Wert auf z.B. 0,6 zurück geht, werden wir ein paar Wochen weniger brauchen. Einfach mal 0,6 einsetzen und den Unterschied ansehen.
Leider war heute, 14.1.21 ausweislich des RKI der R-Wert schon wieder bei 1. Einfach mal einsetzen, wie lange dann der Lockdown noch anhalten würde, wenn sich daran nichts ändert oder der R-Wert wieder steigt.

Seid barmherzig!

Gedanken zur „Jahreslosung“ 2021 aus Lukas 6,36
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“

Gedanken zur Jahreslosung 2021

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Lukas 6,36

Ein Wort für alle?
Ein Wort zunächst nur für Fromme.
Fromme Menschen nehmen Gott besonders ernst. Gott und seine Gebote. Wie soll man richtig leben? Was tut eine gut?

Da könnte man bei Gott eine ganze Menge lernen. Bis zum letzten i-Punkt. Alles bis ins kleinste geregelt. Einfach nur machen, und alles wird gut.

Aber so einfach ist das nicht. Niemand kann alles richtig machen. Dazu ist das Lenen viel zu komplex. Jeder Mensch macht Fehler. Überhaupt gibt es das Leben nur, weil es auch Fehler gibt. Sagt Lesch, und er hat recht. Ohne Barmherzigkeit wären wir da aufgeschmissen.

Gott, ďer uns geschaffen hat, hat uns genau so geschaffen: lebend. Lernend. Ausprobieren. Fehler machend. Gott kennt uns – und ist barmherzig.

Das tut Gott manchmal ganz schön weh, bei all dem, was wir so verzapfen. Aber er bleibt barmherzig.

Ich muss an jenen Menschen aus dem Wachdienst meiner Kaserne denken.
„Salam aleikum“, beginnt einer von uns beiden. Und der andere antwortet mit: „aleikum salam“. Und ich weiß, dass er fünfmal am Tag zu „Gott dem Barmherzigen“ betet. Unter den 99 muslimischen Gottesnamen der vornehmste. Wenn wir nicht sprechen können oder zu weit entfernt sind, führen wir die Hand aufs Herz. Friede sie mir Dir. Und mit Dir. Gott ist ein barmherziger Gott. Mit tut das gut.

Darf ich das? Sind „sein“ Allah und „mein“ christlicher Gott identisch? Der Mathematiker in mir weiß: Wenn es nur einen Gott gibt, und er glaubt an den einen Gott und ich glaube an den einen Gott, dann müssen wir beide an den identischen Gott glauben. Aber Gott ist ist Gott. Er sieht ihn anders, als ich ihn sehe. Aber beide sehen wir ihn als den barmherzigen Gott.

Fromme Menschen können manchmal so abgrenzend, so unbarmherzig sein. So überheblich über Menschen ohne religiösen Glauben oder anderem Glauben. Dabei findet sich auch dort viel Weisheit und das Bemühen, möglichst heil und friedlich durch das Unheil der Welt zu kommen.

Dementsprechend beginnt die Bibel universell. Die antiken Herrscher hielten sich selbst gerne für Stellvertreter Gottes. Ebenbild von Gott „Sonne“ wollte der König von Babylon sein. Und hatte Angst vor Gott „Mond“ in der Nacht. „Keine Götter“, so beginnt die Bibel, sondern einfach „Lampen am Himmel“. Und Ebenbild Gottes ist jeder Mensch. Männlich wie weiblich, das ist egal. Wenn du an Gott glaubst, dann ist jeder Mensch sein Stellvertreter. Egal ob babylonisch, assyrisch oder jüdisch. Ob muslimisch, christlich, hinduistisch oder atheistisch.

Was bedeutet es, sein Stellvertreter zu sein? Es heißt: Verantwortung zu haben. Es heißt: Selber entscheiden zu müssen. Es bedeutet, dass die Bibel nicht einfach ein Rezeptbuch ist, das einem jede Entscheidung abnimmt. „Lieber Gott, da in der Bibel steht doch, da kann ich mich doch jetzt nicht falsch verhalten haben?“ Doch, kannst Du. Du kannst falsche Entscheidungen treffen. Das gehört dazu, wenn man Mensch ist. Ohne Fehler kein Leben. Und Gott bleibt ein gnädiger Gott. Und er leitet an, auch gegenüber anderen barmherzig zu bleiben, die sich ebenfalls falsch verhalten haben. Die anders glauben. Damit wir miteinander leben können.

Seid barmherzig. Ich hoffe, dass auch Nichtfromme sie diesem Gedanken anschließen können.

Wir müssen uns nicht alles gefallen lassen. Man soll sich auch nicht auf dem Kopf herum tanzen lassen. Manchmal muss man auch auf den Tisch hauen. Manchmal hauen die anderen auf den Tisch. Seid barmherzig. Dann kann man sich gemeinsam an den Tisch setzen.

Ich wünsche ein friedliches 2021. Dass wir am Ende gemeinsam an unserem Tischen sitzen. Nicht nur im Freien. Auch in den Schulen. In den Heimen, an den Arbeitsplätzen.

Und dass wir Gas geben im Blick auf den Klimawandel, im Blick auf Gerechtigkeit in der Welt. Denn auch wenn Gott ein barmherziger Gott ist: Die Folgen des Klimawandels werden wir selber ausbaden. Der Klimawandel ist da anders als der barmherzige Gott. Klimawandel ist stürmisch und unbarmherzig. Man darf das nicht verwechseln.