Bestatterschelte?

Im Dezemberheft 2006 des Deutschen Pfarrerblattes erschien ein Artikel, der sich kritisch mit der zunehmenden Praxis eigener Trauerkapellen bei Bestattern befasst und fordert, christliche Feiern in solchen Räumen per Kirchenordnung zu untersagen.
Etwas peinlich: Ausgerechnet Aussegnungsfeiern am Sterbebett werden mit keinem Wort erwähnt.

Vereinnahmung und Vermarktung Kirchlicher Amtshandlungen?
Ein Beitrag zu (hinter-)fragwürdigen Entwicklungen in der Bestattungspraxis
Von: Ulrich Rottschäfer

Mich hat dieser Beitrag sehr geärgert. Niemand kopiert mehr seine Predigten auf dem Spiritusumdrucker, sondern nutzt einen modernen Laser- oder Tintenstrahldrucker. Die Trauerkapellen sind aber oftmals noch auf dem Stand von Spiritusumdruckern. Statt die Initiative der Bestatter aufzugreifen hört man auf seiten der Pfarrer immer noch zu oft eine m.E. unzulässige Bestatterschelte. So erschien im Januarheft der Pfarrerblattes unter der Überschrift “Bestatterschelte oder Selbstkritik” mein wütender Einwurf zu diesem Beitrag.

(Die Links oben sind im Prinzip richtig, aber sie funktionieren nicht immer. Dann hilft nur:

www.pfarrverband.de/
dort links auf Pfarrerblatt -> Archiv
Jahr: 2006
Monat: 12
Autor: Rottschäfer

und
Jahr: 2007
Monat: Januar
Autor: Kehren)

Zur Kritik an der Bibel in gerechter Sprache

Zur Kritik an der Bibel in gerechter Sprache

Wenn man sich die Kontroverse um die “Bibel in gerechter Sprache” anschaut, dann geht es vielen Kritikern schon lange nicht mehr um die Sache. Es geht um die Macht.

Zunächst ein Vergleich.

Meine Examenspredigt seinerzeit wurde vom ersten Prüfer mit “Sehr gut” und vom zweiten mit “Mangelhaft” bewertet. Während der erste Prüfer in seiner Stellungnahme der Reihe nach die Pluspunkte aufzählte, die ich in meiner Arbeit erreicht hatte, hatte sich der zweite Prüfer eine eigene Vorstellung von der Prüfungsarbeit gemacht, die offenbar mit meiner Vorstellung kaum Berührungspunkte hatte. Und so zählte er alle die Punkte auf, die ihm wichtig waren und die ich nicht erwähnt hatte.

Der erste Prüfertypus strebt keine Perfektion an. Eine sehr gute Arbeit muss nicht in allen Punkten perfekt sein, wenn sie denn in genügend anderen Punkten überdurchschnittlich ist. Der zweite Prüfertypus hingegen kann Defizite nicht hinnehmen, vor allem dann, wenn sie in Bereichen liegen, die ihm wichtig sind. Für Pluspunkte in weiteren Bereichen ist er blind. Er bewertet nicht die Prüfungsleistung an sich, sondern er bewertet seine eigene Leistung mit sehr gut. Die Prüfungsleistung wird dann nur nach nach den vorhandenen Übereinstimmungen durchsucht und benotet.

Die meisten Verrisse der Bibel in gerechter Sprache entsprechen dem zweiten Prüfertypus. Sowohl in seiner Selbstgerechtigkeit als auch in seiner Unfähigkeit, eine zweifellos vorhandene Leistung differenziert anzuerkennen.

Liest man die bekannten Verrisse, gewinnt man den Eindruck, bei den Übersetzerinnen und Übersetzern der Bibel in gerechter Sprache müsse es sich um eine Horde durchgeknallter Feministinnen handeln, die von Theologie im Allgemeinen und von Griechisch, Aramäisch und Hebräisch im Besonderen keinerlei Ahnung haben. Die Übersetzerinnen seien vor allem einem feministischen Sprachwahn verfallen, sie hätten blindwütend sowohl bei Pharisäern als auch bei Gott selbst einfach die weiblichen Formen hinzugefügt, um einer vermeintlichen Political Correctness zu genügen.

Schaut man sich dann die Liste der Übersetzerinnen und Übersetzer genauer an, dann entdeckt man dabei hochrangige Fachexegetinnen und -exegeten, die sehr wohl über die entsprechenden Sprach- und Sachkenntnisse verfügung.

Warum wird dann die Übersetzung so abgekanzelt, als handele es sich um eine schlechte Proseminararbeit von Erstsemstern? Selbst bei Erstsemestern wäre dieses Abkanzeln stillos.

Schaut man sich die Bibel in gerechter Sprache noch genauer an, dann entdeckt man Überraschendes.

Wichtiges und leitendes Kriterium des Übersetzerteams ist die Gerechtigkeit in mehreren Bereichen. Der erste Bereich ist ausdrücklich die Gerechtigkeit gegenüber den griechischen, hebräischen und aramäischen Ausgangstexten. Schauen Sie sich bitte einmal die verschiedenen Rezensionen an, ob dieser Bereich erwähnt wird. In den Verrissen wird dieser Bereich immer unterschlagen.

Weitere wichtige Bereiche sind dann Gerechtigkeit im Blick auf die Geschlechter und im Blick auf den jüdisch-christlichen Dialog. Ich weiß noch, wie auf dem Kirchentag im geteilten Berlin Vertreterinnen der feministischen Theologie ein Schuldbekenntnis ablegten, weil sie antijudaistische Stereotypen verbreitet hatten. Sie hatten sich auf traditionelle christliche Darstellungen des Judentums in den Darstellungen der theologischen Lehrer des 20. Jahrhunderts verlassen – und dabei Schiffbruch erlitten. Inzwischen haben sie diese beiden Bereiche gründlich aufgearbeitet. Nur ist dies leider der Mehrzahl der Kritikerinnen völlig egal. Da wird nicht gefragt: Wie kommt ihr denn dazu. Stattdessen wird letztlich behauptet: Alles Schwachsinn in dieser Bibel.

Und das führt mich zu meiner Entdeckung: Es geht überhaupt nicht um die Bibel in gerechter Sprache. Es geht stattdessen um die Macht. Es geht um die Macht, mit irgendwelchen Scheinargumenten sowohl dem Bemühen um jüdisch-christliches Gespräch als auch dem Bemühen um Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche einen Riegel vorzuschieben.

Völlig vergessen wurde, dass 1999 mit dem neuen Gottesdienstbuch eine Agende in den lutherischen und unierten Landeskirchen verabschiedet wurde, die sich ausdrücklich den jüdisch-christlichen Dialog, die Geschlechtergerechtigkeit und die Vermittlung von Tradition und Modernisierung in der Sprache auf die Fahnen geschrieben hatte. Jetzt kommt der Rollback. Man ist dagegen, und damit basta.

Im Einzelnen sind viele der vorgetragenen Argumente blamabel.

So fragt man sich, warum Pfarrerinnen und Pfarrer die alten Sprachen lernen mussten, wo doch offenbar der Wortlaut der Lutherbibel in der Kirche völlig ausreicht.

So fragt man sich weiter, ob man in einer katholischen Kirche seinen Dienst tut, in der einem immer wieder von oben durch die Glaubenskongregation der rechtet Weg vorgegeben wird oder in der evangelischen lebt und arbeitet, in der doch die Gemeinde die Aufgabe hat, die Lehre zu beurteilen. Welche Bibelübersetzung hat eine zweijährige Praxiserprobung hinter sich, in der zahlreiche Gemeindegruppen die Texte gelesen und diskutiert haben? Welches Übersetzerinnenteam hat sich jemals einer solchen Prozedur ausgesetzt?

Blamabel ist, wie Versäumnisse der Kirche nun dem Übersetzerinnenteam angelastet werden. Welches Gemeindeglied weiß darum, dass Gott in der Bibel einen Namen hat, der aber schon zur Zeit Jesu in der Gebetsanrede und im Reden über Gott durch andere Begriffe ersetzt wurde? Und wer kennt diese Ersetzungen in den alten Sprachen und in der deutschen Übersetzung? Warum sind das nur so wenige? Wem ist dieses Versäumnis anzulasten?

Stattdessen wird dem Übersetzerinnenteam vorgeworfen, es würde nun die unmündige Gemeinde verunsichern, wenn sie mit unbekannten Gottesbezeichnungen verwirrt wird.

Nur nicht an den alten Fehlern rütteln! Nur nicht auffallen! Nur nicht das eigene Versagen zugeben. Da soll lieber alles so bleiben, wie es ist! Denn hier geht es um die Macht. Um die Macht, die eigenen Fehler der Vergangenheit zu bestreiten. Um die Macht, diese Fehler auch in Zukunft begehen zu dürfen. Um die Macht, jene lächerlich zu machen und in der Kirche zu diskreditieren, die den Finger in die Wunde legen. Um die Macht, jenen die Tür vor der Nase zuzuschlagen, die die Tür des Dialogs über die Übersetzung und über Fehler darin ausdrücklich geöffnet haben. Die Bibel in gerechter Sprache hat eben nicht den Anspruch, perfekt zu sein und keine Fehler gemacht zu haben. Das Übersetzerinnenteam lädt ausdrücklich zur Diskussion ein und zeigt die Bereitschaft, sich durch Sachargumente überzeugen zu lassen.

Gerade dadurch, wie radikal das Gespräch beendet und das Projekt der Bibel in gerechter Sprache für gescheitert erklärt wird, zeigt sich die Ausübung und der Missbraucht von Macht. Und gerade damit wird deutlich, wie wichtig ein Projekt ist, dass sich der Gerechtigkeit verschrieben hat.

Wie oft konnte man lesen, dass man die Lutherbibel davor bewahren müsse, dass sie von der Bibel in gerechter Sprache verdrängt. Sonst kennt man diese Stilfigur vor allen aus der (schlechten) Politik: Man distanziert sich auf das Heftigste von einer Position, die der politische Gegner niemals vertreten hat. Mehr als einmal hat das Herausgeberteam betont, dass die Lutherbibel nicht ersetzt werden solle. Warum dann die stereotype Verlautbarung in kirchenleitenden Gremien, dass allein die Lutherbibel im liturgischen Gebrauch maßgeblich bleibe?

Antwort: Es geht um die Macht. Diese Gremien (Rat der EKD und die Bischöfe der VELKD) und viele andere hätten ja durchaus festellen können, dass die Lutherbibel ihren bleiben Wert behalten wird, und dass man dennoch das Bemühen um eine Bibel zu würdigen weiß, die sich dem ursprünglichen Sinn der Worte der biblischen Schriften und ihre Übersetzung in heutige Sprache verpflichtet weiß und darüber hinaus auch die Erkenntnisse des jüdisch-christlichen Gesprächs und des Ringens um Geschlechtergerechtigkeit umsetzen möchte. Warum haben sie sich nicht auf solche Art und Weise geäußert? Diese leitenden Gremien sind doch sonst so geschult, öffentliche Erklärungen ausgewogen und differenziert zu formulieren, ohne Betroffenen zu sehr auf die Füße zu treten. Warum formulieren sie ihre Stellungnahmen zu dieser Übersetzung mit dem Holzhammer? Es bleibt nur eine wirkliche Erklärung: Es geht um die Macht.

Hat man noch 1999 im neuen Gottesdienstbuch im Blick auf die Liturgie und den Gottesdienst festgehalten, die Sprache dürfe niemanden ausgrenzen, so wird dies nun als moderne Vorstellung diffamiert, die das Verständnis der biblischen Texte erschwere.

Es ist beschämend zu sehen, wie die kirchliche Kritik und protestantische Publizistik mit gestandenen und weltweit anerkannten Theologinnen und Theologen umspringt, als wären es dumme Schuljungen und durchgeknallte Feministinnen, die sich einen ideologischen Abiturstreich geleistet haben. Es ist beschämend, wie viele blinde Verdächtigungen und Vermutungen und Gerüchte gegen die Bibel in gerechter Sprache verbreitet werden, die mit dieser Übersetzung nicht das geringste zu tun haben. Soll das ein Vorzeichen für die protestantische Diskussionskultur sein, wenn demnächst bei knapper werdenden finanziellen Mitteln über Kürzungen in den Kirchen diskutiert werden muss? Wenn schon in theologischen Fragen eine derartige Unsachlichkeit Platz ergreift, wie muss es dann aussehen, wenn es um kirchenpolitische Sachfragen geht?

Selber gehöre ich zum theologischen rheinischen Nachwuchs, der aus finanziellen Gründen mit großer Wahrscheinlichkeit keine Pfarrstelle mehr in seiner Landeskirche bekommen wird. Es ist bitter zu sehen, mit welcher theologischen Unkenntnis TheologInnen im Amt und in höchsten Ämtern sich zu öffentlichen Verrissen hinreißen lassen. Dass dies vielen Protestanten nicht auffällt, macht deutlich, wieviel Nachholbedarf in puncto Theologie in der Kirche besteht, in der doch die Gemeinde das Recht und die Pflicht hat, die Lehre ihrer Pfarrerinnen und Pfarrer zu beurteilen. Meine eigene Landeskirche ist glücklicherweise mit sehr gemäßigter und besonnener Kritik aufgefallen. Das ist der Punkt, an dem man seine eigene Landeskirche bei allen gegenwärtigen Problemen schätzen lernt.

Wenn jedenfalls die Auseinandersetzung mit der Bibel in gerechter Sprache dazu beiträgt, den theologischen Nachholbedarf deutlich zu machen und in der gemeindlichen Diskussion aufzuarbeiten, dann hat sich diese Übersetzung  gelohnt.

Allerdings würde dies die Bereitschaft voraussetzen, auf Macht zu verzichten und die ausgestreckte Hand zur Diskussion doch noch zu ergreifen. Mut macht die politische Erfahrung der letzten Jahrzehnte, dass auch die reine Macht die Diskussion nicht verhindern kann. Mut macht die Herrschaftskritik der Bibel, die die Geringen gegenüber den Mächtigen aufwertet. Es geht eben doch um Gerechtigkeit vor Gott. Ich freue mich darauf.

Bernd Kehren

Kleine Zitate über die Rheinische Mission

Zum Thema: Mission und Sklaverei

Die erste Rheinische Missionsstation wurde 1830 etwa 300 km nördlich von Kapstadt gegründet. Leipold und Wurmb, zwei der vier ersten Missionare der Rheinischen Mission kauften eine Farm und gaben ihr den Namen Wupperthal. Sie wurden keineswegs nur freudig begrüßt. Am 26.12.1829 schreibt Leipold in sein Tagebuch:

„Beinahe alle Bauern hier in der Umgebung sind gewaltig gegen die Mission, denn sie wissen, kommen Missionare in ihre Nähe, so werden diese (die Farbigen) bald klüger wie sie, und lassen sich nicht mehr unterdrücken und betrügen. Früher, auf manchen Flecken auch jetzt, haben Bauern schrecklich mit diesen armen Leuten gehandelt…“

Schule und Unterricht waren wichtige Elemente der Mission, außerdem die ärztliche Versorgung durch die Missionsstationen.

Die Sklaverei wurde in Südafrika 1838 offiziell abgeschafft. Mission hat auf ihre Weise dazu beigetragen.

Das Zitat stammt aus: Gustav Menzel, Die Rheinische Mission, Wuppertal 1978, S. 55f.

 

Zum Thema: keine Conquesta

Mit der brutalen Eroberung Lateinamerikas ab 1492 durch die spanischen Könige auf den Eroberungsfahrten von Hernán Cortés und Pedro de Valdivia hatte diese spätere Mission durch die pietistisch geprägten Missionsvereine nichts zu tun. Sie begann etwa 1705 durch August-Hermann Francke oder 1731 durch Zindendorfs Brüdergemeine und bekam einen neuen Schub Anfang des 19. Jahrhunderts nach den Berichten von Seefahrern wie Captain Cook.

Waren ihre Missionare teilweise auch kleine Patriarchen, so suchten sie die Nähe zu den Menschen, die sie bekehren wollten. Sie lebten beinahe mönchisch wie in Armut, Keuschheit und Gehorsam, predigten und evangelisierten, bauten Schulen und betrieben Sprach- und Völkerstudien. Massentaufen waren nicht erstrebt. Erste Taufen ergaben sich in der Regel erst ganz vereinzelt und nach Jahren.

1795 wurde die „London Mission Society“ gegründet. Aufgrund von Berichten in Elberfeld und Barmen entstand 1828 die Rheinische Missionsgesellschaft.

 

Zum Thema: Mission und Kolonialismus

Einer der Missionare der Rheinischen Mission war Fabri. Engagiert auch in die soziale Frage, sah er die Lösung der Probleme von Bevölkerungswachstum und Verelendung in Deutschland in einer gelenkten Auswanderung. 1879 erschien seine Broschüre „Bedarf Deutschland der Kolonien?” Die Rheinische Mission beklagte sein Engagement als Kolonialpolitiker, weil er sich nicht seinen missionarischen Aufgaben genügend widmete. „Als die Landnahme in Südwest erfolgt war, hat man sich davon in dem von immerwährenden Kämpfen beunruhigten Gebiet eine in ordentlichen Bahnen verlaufende Missionstätigkeit versprochen. So ist die gesamt Rheinische Mission wie ihr leitender Inspektor nicht freizusprechen von der Mitbeteiligung an der Okkupierung und Unterwerfung afrikanischer wie übrigens auch asiatischer Länder und Völker.“

Dies gilt auch trotz der Kritik am Kolonialismus. In einem Brief an die Nama-Konferenz (etwa im heutigen Namibia) heißt es: „Eure Aufgabe ist es, Christum zu predigen und die Seele Eures Volkes zu retten; jene aber wollen sich selbst bereichern, wollen Handel, Gewerbe, Industrie, unbekümmert, ob das Volk darüber zugrunde geht. Noch nirgends ist in der Heidenwelt eine europäische Kolonie entstanden ohne die schwersten Ungerechtigkeiten. Portugiesen und Spanier, Holländer und Engländer haben darin ziemlich gleichen Schritt gehalten. Die Deutschen werden es schwerlich viel besser machen, und ihr werdet die Aufgabe haben, Euer Volk vor Misshandlungen und Vergewaltigung der Weißen zu schützen, solange ihr könnt.“

Vgl.: Gustav Menzel, Die Rheinische Mission, Wuppertal 1978, S. 78f.

Die Auswirkungen des Handels im Allgemeinen waren eher negativ. Die Händler tauschten gerne Alkohol gegen Waren der Einheimischen. Um diese Folgen ein wenig abzuschwächen, begannen die rheinischen Missionare, selbst einen kleinen Handel zu betreiben. Fabri sieht die Gefahren der Vermischung zwischen Mission und Handel und regt deswegen die Gründung der „Missions-Handels-Aktien-Gesellschaft zu Barmen“ (1869) an. Nach anfänglichen wirtschaftlichen Erfolgen kommen Verluste und Konkurs. Als Ursache wird nicht nur die Konkurrenz verschiedener Handelsgesellschaften um Produkte wie Straußenfedern und Elfenbein genannt, sondern vor allem die Ausrottung der Tiere selbst. „Alles, was auf die Beine zu bringen war, zog aus auf die Jagd. Da wurde totgeschlagen und totgeschossen alles, was zu erreichen war, männlich und weiblich. Von Schonung des Nachwuchses war keine Rede. Die Folge war, dass in der Nähe bald nichts Jagdbares mehr zu finden war.“ Man versuchte zwar, z.B. die ungeheuren Rinderherden der Ova-Herero zu verwerten, scheiterte aber an den enormen Verlusten beim Viehtrieb.

Vgl.: Gustav Menzel, Die Rheinische Mission, Wuppertal 1978, S. 86f.

Nach 1884 war auch Deutschland Kolonialmacht. Die Rheinische Mission versuchte, sich dagegen deutlich abzugrenzen. Der damalige Leiter August Schreiber:
„Die Kolonisation dient zur Ausbreitung der Macht und es Ansehens unseres lieben deutschen Vaterlandes, die Mission dagegen will dienen zur Ausbreitung des Reiches und der Ehre unseres himmlischen Königs, Jesus Christus. So wolle man auch hier nicht verschiedenartige Dinge durcheinandermischen oder miteinander verwechseln; es wird beiden zugute kommen, wenn man sie reinlich und deutlich auseinander hält, denn die Geschichte kann uns lehren, dass noch niemals gute Resultate dabei herausgekommen sind, wenn die Missionare Kolonien gründeten, noch wenn die Kolonialmacht missionierte.“
In diesem Zusammenhang wurde auch von „dem unaustilgbaren Triebe des Christentums, die Religion der ganzen Menschheit zu werden“, gesprochen.

Das Miteinander von Mission und Kolonisation ist damit aber nicht ausgeschlossen. Allerdings muss die Mission unbeliebte Forderungen stellen, etwa nach der Einschränkung oder besser Abschaffung des Branntweinhandels und nach der Anerkennung der „Rechte der Eingeborenen“.
Schreiber: „Es ist gut, wenn die Missionare von Anfang an mit dabei sind, und wenn man ihnen, so oft sie für die Rechte der Eingeborenen eintreten, an maßgebender Stelle auch willig Gehör schenkt“.
An anderer Stelle schreibt er: „Es liegt auf der Hand wie viel auch unseren Missionaren und uns im eigenen Interesse daran liegen muss, dass diese Respektierung der Rechte der Eingeborenen und ihre gerechte billige Behandlung allezeit und nicht nur im Anfang beobachtet werden, denn sonst könnte die deutsche Kolonisation nur allzubald ein ganz gewaltiges Hindernis für die Missionsarbeit werden, wenn nämlich den Herero und Namaqua eben dasselbe begegnen sollte, was schon so manchem Heidenvolke begegnet ist, dass sie nämlich das Evangelium aus der Hand desselben Volkes hinnehmen sollen, das ihnen die Freiheit geraubt, sie unterdrückt hat“. Die Annektierung als solche wird aber nicht als Widerspruch zum Recht der Einheimischen gesehen. Es gehe ihnen in vielen Kolonien besser als je zuvor; sie hätten „ihren Herrschern unendlich viel zu verdanken“. „Aber leider wird solches fast nie von den unterworfenen (!) Völkern anerkannt“. Als „Unterdrückung“ wird die Herrschaft fast nie bezeichnet – obwohl sie es faktisch ist.

Vgl.: Gustav Menzel, Die Rheinische Mission, Wuppertal 1978, S. 218ff.

Gedankt hat man dies der Rheinischen Mission nicht. Als 1904 der Herero-Aufstand gegen die totale Besitzergreifung durch die Weißen erfolgte, erfolgten in der deutschen Presse üble Angriffe gegenüber der Missionsgesellschaft, die für diese „Bestien“, „Paviane“, „Ungeziefer“, “Raubgesindel und Mörder“ eintreten. „Die Mission besitzt noch die Unverfrorenheit, für das farbige Gesindel einzutreten“, heißt es in einer Zeitschrift des „Kolonialbundes“. Aber selbst bei Angriffen durch die Regierung „hinterfragte auch die Rheinische Mission nicht das Recht der Besitzergreifung durch das deutsche Reich. Innerhalb dieser Grenzen lag ihr Verdienst, wehrte sie sich gegen die Ausbeutung und reine Nutznießung der Kolonien auf Kosten der Einheimischen.“
Weiter ging hingegen „August Bebel, Sprecher der Sozialdemokratie im Reichstag, der in seiner Reichstagsrede vom 30.1.1905 mit der gesamten deutschen Kolonialpolitik abrechnet: ‚Das Recht zum Aufstand, das Recht zur Revolution hat jedes Volk und jede Völkerschaft, die sich in ihren Menschenrechten aufs alleräußerste bedroht fühlt. Wenn schließlich nach all diesen Taten, die ich hier vorgetragen habe, schließlich der Aufstand der Herero ausbrach, so ist das nur die natürliche Folge unserer Kolonialpolitik, des Verhaltens der Ansiedler, kurz, der ganzen Tätigkeit, die von uns in Südwestafrika ausgeübt wurden ist‘.“
Warum nur konnte die Kirche nicht so deutliche Worte finden?

Vgl.: Gustav Menzel, Die Rheinische Mission, Wuppertal 1978, S. 241ff.

 

Zum Thema: Mission und Konfession

Die Missionare wurden geradezu ordensähnlich verpflichtet. Heirat war nur mit Genehmigung des Missionsleitung erlaubt. Wohlstand der Missionare galt als schädlich für sie selbst, und es würde schlechten Eindruck auf die Heiden machen. Wer eigenmächtig handelte oder sich den Anordnungen widersetzte, wurde abberufen.
Keine Rolle sollten aber die Konfessionen für die Mission spielen. „Es kann mithin die Absicht unserer Missions-Gesellschaft nicht sein, für eine besondere Confession zu werben, oder deren Unterscheidungs-Lehren geltend zu machen, sondern Christo Seelen zu gewinnen. Der geschichtliche Gang, den die Kirche Christi in Europa durchzugehen hatte, dass sie durch eine Reinigung der Lehre in der Reformation die Fesseln des Irrtums und der Menschenlehre brechen musste, ist insofern für die dortigen Brüder aus den Heiden von geringerer Bedeutung, dass sie denselben nicht nicht notwendig abermals durchzugehen haben, sondern sich unmittelbarer auf die apostolische Kirche, ihre Lehre und ihre erste Einrichtung gründen können.“

Vgl.: Gustav Menzel, Die Rheinische Mission, Wuppertal 1978, S. 97-99.

 

Zum Thema: Schuldbekenntnis nach 1945

Es ließe sich viel Positives über die Rheinische Mission während der Herrschaft des Nationalsozialismus in Deutschland sagen. Die Missionsgesellschaft hatte sich der Bekennenden Kirche angeschlossen, die auch gegen das Verbot der Nazis die Prüfungen der Missionare abnahm und heimlich die Kirchliche Hochschule beherbergte.

„Aber mit dem allen sind wir nicht gerechtfertigt. Wir haben uns vor diesen Gewalten gebeugt und waren zu taktischen Erwägungen, zu Verhandlungen und Kompromissen oft bereit. … Sind wir nicht daran mitschuldig geworden, dass das Gift einer gottlosen politischen Weltanschauung und Machtausübung in die anderen Völker eindrang und sie in ihrem eigenen Nationalismus bestärkte?“

Vorher hatte es in der Erklärung der Leitung (damals „Deputation“ genannt) von 1947 über das politische Verhalten der Missionsarbeiter geheißen:

„Dass wir nicht allein an unserm Christus gehangen haben, nicht allein im Wort Gottes Weisung für unser Handeln gesucht haben, nicht gehorsam genug ihm gefolgt sind, nicht ernstlich genug gebetet, nicht gehorsam genug Ihm gefolgt sind, nicht ernstlich genug gebetet, und nicht getrost die Königsherrschaft Jesu bekannt haben, das ist unsere Schuld. Aus dieser geistlichen Schuld erwuchs alle andere Schuld: unsere politischen Träume und Verblendungen, unsere Angreifbarkeit gegenüber politischer Propaganda, Überredung und Bedrohung, unsere falschen Entscheidungen und halbherzigen Handlungen. Darum leben wir nun mit unserem Volk und anderen Völkern am Rande der Verzweiflung“.

Vgl.: Gustav Menzel, Die Rheinische Mission, Wuppertal 1978, S. 123f.

 

Zum Thema: Missionare und ihre Frauen und Kinder

Die Missionsleitung „hat es den Missionaren nicht leicht gemacht, wenn sie forderte, dass die Brautwahl erst nach bestandenem Examen erfolgen dürfe. In den meisten Fällen mussten die Missionare unverheiratet hinausgehen. Dass die Bitte von draußen um Heiratserlaubnis oder Vermittlung einer Braut nach der gesetzten Frist von mindestens zwei Jahren wunschgemäß erfüllt wurde, war keineswegs eine Selbstverständlichkeit.“ Noch in den Dreißiger Jahren ist es für die Missionsleitung ganz selbstverständlich, „eine Art elterlicher Genehmigung der Brautwahl“ zu beanspruchen.

„Die strenge Durchführung dieses Prinzips traf – mag eine spätere Generation die Starrheit auch gelegentlich verwundern und erschrecken – Menschen, die bereit waren, ihren Weg in Demut und beinahe willenlosem Gehorsam zu gehen.“

Die Arbeit, die ihre Frauen dann leisten sollten, war immens und überstieg teilweise das, was „menschlich zumutbar“ war. Erfahren hat man davon aber weniger direkt sondern vor allem indirekt über die reichhaltigen Erzählungen darüber, was die Missionare alles auszuhalten hatten. Besonders hart war für die Eltern die Trennung von den Kindern, die im Schulalter zur Erziehung nach Deutschland geschickt wurden. 1856 wurde neben dem Missionshaus in Wuppertal deswegen ein eigenes Kinderheim eingeweiht. Gemeint sind aber vor allem die Missionarssöhne: „Die Töchter sind standesgemäß erzogen, wenn sie die Bildung ihrer Mutter bekommen haben, d.h. also nächst der Bildung, welche der heilige Geist gibt, Lesen, Schreiben, Rechnen, die elementaren Kenntnisse der Geschichts-, Erd- und Naturkunde, Fertigkeit im Gesang, um nötigenfalls die Hausandacht leiten zu können, Geschick in weiblicher Arbeit und in der Führung der Wirtschaft.“ Die Söhne hingegen bekommen bei entsprechender Eignung ein der Missionarsausbildung entsprechendes Studium am Missionshaus. Ab 1874 erfolgte die Ausbildung am evangelischen Gymnasium in Gütersloh. Weitere Heime gab es zeitweilig in Moers und Bad Kreuznach. Später wurde den Töchtern die Ausbildung zu Volksschullehrerinnen ermöglicht.

Heute kann man dies nur noch aus der historischen Situation verstehen. Heute ist Mission „ganz anders“.

Vgl.: Gustav Menzel, Die Rheinische Mission, Wuppertal 1978, S. 129ff.

 

Zum Thema: Mission und Medizin

Innerhalb der Mission blieben die Missionsärzte eine kleine Gruppe, verhalfen aber zu einem umfassenderen Missionsverständnis.
„Krankenheilen könne niemals Selbstzweck, sondern nur ein Mittel zum Zweck sein“.

„Dr. Olpp, lange Jahre Missionsarzt in China, sagte z.B. 25 Jahre später: ‚Im Gegensatz zu der Auffassung des 19. Jahrhunderts sind wir also der Ansicht, dass der Missionsarzt in erster Linie ein guter Fachmann sein soll, und dass seine Tätigkeit im Dienste unsers Herrn und Meisters wie die der Schultätigkeit nur ein Wegbereiter für das Evangelium, eine Hilfswaffe im Kampf um die Ausbreitung des Christentums, allerdings eine Hilfswaffe von nicht zu unterschätzender Bedeutung, besonders in mohammedanischen Ländern, ist.'“

1922 sprach ein Missionsarzt von einem Auftrag, den Jesus gegeben habe, „die Kranken gesund zu machen“. „So hat denn auch die christliche Mission von alters her die Pflege der Kranken als eine ihrer wichtigsten Pflichten erkannt, und auch heutigen Tages lässt sich die Fürsorge für die Kranken und Elenden gar nicht von der Predigt des Missionars, von der Verkündigung der frohen Botschaft trennen.“

Vgl.: Gustav Menzel, Die Rheinische Mission, Wuppertal 1978, S. 155ff.

 

Zum Thema: „Mission ist ganz anders“

Nach dem zweiten Weltkrieg setzte eine Entwicklung in der Weltmission ein, die auch in der Rheinischen Mission Veränderungen zur Folge hatte.
Die Begriffe „Missionsfeld“, „Missionar“, „Mission“ wurden mit einem Fragezeichen versehen. Das neue Stichwort hieß „Partnerschaft“.

Es kam zu Kirchengründungen bei den Missionskirchen.

1973 wurde z.B. mit den Kirchen in Indonesien und Deutschland, die der VEM verbunden sind, ausgedrückt, dass „Mündige Partnerschaft“ u.a. geprägt ist von

  • gegenseitiger Abhängigkeit mit gegenseitigem Geben und Nehmen, gegenseitigem Helfen von zwei unabhängigen Partnern
  • beiderseitiger Teilhabe an gemeinsamen Aufgaben
  • Gleichberechtigung der Partner

Nach der Weltmissionskonferenz von Mexico City (1963) wurde von „Mission in sechs Kontinenten“ gesprochen, damit kam ansatzweise auch wieder der Gedanke in den Blick, dass die Missionsgesellschaft auch im eigenen Land eine Aufgabe haben könne.
Weil Kirchen das Angebot des Missionsseminars nicht nutzen wollten und weil die Partnerkirchen nicht mehr lebenslange Missionare, sondern ökumenische Mitarbeiter und Spezialisten auf Zeit brauchten, wurde das Seminar 1970 geschlossen.

Theologisch wurde die organisatorische Trennung von Kirche und Mission fragwürdig. 1955: „Der Platz der Mission ist nicht neben, sondern in der Kirche. Ihre Aufgabe ist Aufgabe der ganzen Kirche. Ihre Verantwortung die Verantwortung der kirchlichen Leitungsorgane in den Gemeinden und Synoden…“ (Menzel, 387) Dies wurde von der rheinischen Landessynode 1955 bestätigt.

1962 wurde die Satzung der Rheinischen Mission so geändert, dass die der Rheinischen Mission verbundenen Kirchen Vertreter in die Missionsleitung entsandten. In diesem Zusammenhang ist auch die Vereinigung mit der Bethel-Mission der westfälischen Kirche zu sehen.

 

Zum Thema: Das Selbstverständnis der Rheinischen Mission

1967 führten verschiedene Beratungen zu einem Brief der Missionsleitung, in dem das Selbstverständnis der Rheinischen Mission dargestellt wurde. Nach einem Bekenntnis zum Auftrag, das Evangelium auf der Grundlage der Heiligen Schrift gemäß der Auslegung durch die reformatorischen Bekenntnisse und die Theologischen Erklärung von Barmen zu verkündigen, wird auf das Thema der Weltmissionskonferenz von Mexico City „Mission in 6 Kontinenten“ von 1963 Bezug genommen.Â

„Mission ist nicht der Dienst der Besitzenden an den Habenichtsen, den ‚armen Heiden‘. Vielmehr ist Mission so zu beschreiben, dass ein Bettler dem anderen sagt, wo es Brot gibt. Dies ist nicht nur geistlich zu verstehen. … Die missio dei, die Gottessendung, meint den ganzen Menschen, Wortzeugnis ohne das liebende Handeln am Nächsten wird steril und unglaubwürdig. Helfender Dienst ohne das Zeugnis des Wortes wird zum bloßen humanen Handeln ohne Hinweis darauf, dass das eben mehr ist als die Speise, ohne Hinweis auf den, der das Brot des Lebens ist. … Unsere Versuchung besteht darin, dass wir Projekte statt Zeugnis bieten. …
Wenn wir Partnerschaft sagen, haben wir die Mission im ökumenischen Zeitalter vor Augen. Die Partnerschaft bedeutet ökumenisches Handeln in seiner ganzen Breite. Das heißt, dass wir uns heute für Konfessionen und Kirchen öffnen, die wir bisher nicht im Blick hatten, dass wir uns in bewusster Solidarität in die Andersartigkeit des ökumenischen Partners hineinversetzen und an seinem Reichtum teilhaben.“
Das Schreiben ist unterzeichnet von Präses Schlingensiepen und Direktor Menzel im Juni 1967.

Eine Gegenbewegung fand sich seit der „Bekenntniskundgebung“ 1966 in Dortmund unter der Losung „Kein anderes Evangelium“ in der „Frankfurter Erklärung“: Sieben Thesen sollten zur Diskussion gestellt werden – durch den Aufruf zur massenhaften Unterzeichnung wurde die Diskussion jedoch von vorneherein abgewürgt und eine Scheidung herbeigeführt – obwohl weithin eine kritische Zustimmung möglich gewesen wäre.

vgl.: Gustav Menzel, Die Rheinische Mission, Wuppertal 1978, S. 389 ff.

 

Zum Thema:
Vereinte Evangelische Mission (VEM)
Gemeinschaft von Kirchen in drei Erdteilen

Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) / United Evangelical Mission (UEM) ist eine internationale Missionsgemeinschaft mit Sitz in Wuppertal. Ihr gehören gegenwärtig 33 Kirchen in Afrika, Asien und Deutschland an.

Vorausgegangen war 1971 der Zusammenschluss der Rheinischen Mission und der Bethel-Mission zu einem regionalen Missionswerk mit dem Namen „Vereinigte Evangelische Mission“ (VEM), 1979 kam die Zaire-Mission hinzu.

1996 wurde die VEM bei einer Vollversammlung aller Mitgliedskirchen in Bethel von einem deutschen Missionswerk in eine internationale Missionsgemeinschaft umgewandelt und heißt seitdem Vereinte Evangelische Mission (VEM). 
Gemeinschaft von Kirchen in drei Erdteilen
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Darin wird auch organisatorisch deutlich, dass Mission auf Gegenseitigkeit beruht, auf einem gegenseitigen gemeinschaftlichen Geben und Nehmen, auf Teilen von Verantwortung und Gaben der Kirchen, die sich in der VEM / UEM zusammengeschlossen haben.

„Die United Evangelical Mission/Vereinte Evangelische Mission arbeitet in einem Netz von Kirchen aus Afrika, Asien und Europa und wo immer sie zum Dienst berufen wird.

Gemeinsam verkündigen sie Jesus Christus als Herrn und Heiland aller Menschen und stellen sich den gegenwärtigen missionarischen Herausforderungen.

In einer zerrissenen Welt wollen sie Glieder des einen Leibes Christi bleiben und darum

  • zu einer anbetenden, lernenden und dienenden Gemeinschaft zusammenwachsen,
  • Gaben, Einsichten und Verantwortung teilen,
  • alle Menschen zu Umkehr und neuem Leben rufen,
  • im Eintreten für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung das Reich Gottes bauen.“

(aus der Satzung der VEM)

Stand: 09.03.2000

Weitere Informationen:

Das Milgram-Experiment

Das Milgram-Experiment

Wieviel Gehorsam kann ein Mensch freiwillig einem anderen Menschen entgegen bringen, ohne dazu in irgendeiner Form gezwungen zu werden?

Hannah Arend sprach von der „Banalität des Bösen“: Ganz normale Menschen – keine Bestien – hatten sich bei der fürchterlichen Menschenvernichtung während der Nazizeit beteiligt. Menschen wie Du und ich beteiligten sich daran in einem ungeheueren Maße, ohne irgendwelche Gewissensbisse zu empfinden und zu einem erheblichen Teil, ohne in irgendeiner Weise gezwungen zu sein. Sie machten einfach ihre Arbeit – und das war es dann. Sie gehorchten einer übergeordneten Instanz, der sie vertrauten, die sich halt als irgendwie übergeordnet legitimierte, sie hielten es für richtig, zu gehorchen. Manche gehorchten nur unter Protest, manche leisteten Widerstand. Gibt es Bedingungen, die den Gehorsam fördern?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, ist es erforderlich, Gehorsam zu messen. Aber was könnte der Maßstab sein?

Dazu wurde ein geradezu teuflisches Experiment ausgedacht.

Du liest in einer Zeitung: Versuchspersonen gesucht zu einer Untersuchung über Gedächtnis und Lernvermögen. Kostenerstattung von 25 DM je Stunde.

Du bewirbst dich und wirst mit einer weiteren Person in ein Labor eingeladen. Ein leidenschaftsloser Versuchsleiter erklärt folgendes:

Die Psychologen haben mehrere Theorien entwickelt, die eine Erklärung für die Tatsache bieten, wie Menschen unterschiedliche Arten von Lernstoffen lernen. Einige der bekannteren Theorien werden in diesem Buch abgehandelt.

Der Versuchsleiter legt euch ein Buch über den Lehr- und Lernprozess vor. Er erklärt weiter:

Eine Theorie lautet, dass der Mensch etwas exakt lernt, wenn er für einen Fehler jedesmal bestraft wird. Eine  allgemeine Anwendung dieser Theorie ist etwa, dass Eltern ein Kind schlagen, wenn es etwas angestellt hat. Die Erwartung geht dahin, dass Prügel als Bestrafung das Kind lehren werden, sich besser zu erinnern, dass sie es lehren werden, erfolgreicher zu lernen.

Wir wissen jedoch noch sehr wenig über den Einfluss von Strafe auf den Lernprozess, weil es fast keine wirklich wissenschaftlichen Untersuchungen am Menschen darüber gibt. Wir wissen zum Beispiel nicht, wieviel Strafe sich am günstigsten auf das Lernen auswirkt, und wir wissen nicht, welchen Unterschied die Person des Strafenden ausmacht – ob ein erwachsener Mensch am besten von einer jüngeren oder älteren Person als er selbst lernt – usw., usw.

Deshalb versammeln wir für unser Experiment eine Anzahl von Erwachsenen mit verschiedenen Berufen und von unterschiedlichem Alter und bitten einen Teil von ihnen, Lehrer zu sein, einen anderen Teil, Schüler zu spielen.

Wir wollen herausfinden, welche Auswirkungen verschiedenen Menschen füreinander als Lehrer und als Schüler haben, und wir wollen auch herausfinden, welche Auswirkung Bestrafung in dieser Situation hat.

Deshalb werde ich jetzt einen von Ihnen beiden bitten, hier heute abend den Lehrer darzustellen, den anderen, die Rolle des Schülers zu übernehmen.

Zieht einer von Ihnen die eine oder andere Rolle vor?

Du kannst dich nun dazu äußern, auch der andere Versuchsteilnehmer äußert seine Vorliebe. Der Versuchsleiter fährt fort:

 Also, ich glaube, es ist am fairsten, wenn ich auf zwei Zettel die Wörter „Lehrer“ und „Schüler“ schreibe und Sie beide losen lasse.

Du wirst als Lehrer ausgelost. Danach seht ihr euch die Versuchsanordnung an. Der Versuch beginnt. Der Schüler setzt sich auf eine Art elektrischen Stuhl. Er wird festgeschnallt, an seinen Armen werden Elektroden angebracht. Eine Elektrodensalbe soll helfen, Verbrennungen zu vermeiden. „Obwohl die Schocks äußerst schmerzhaft sein können, verursachen sie keine bleibenden Gewebsschädigung“, erklärt der Versuchsleiter.

Die Lernaufgabe besteht darin, Assoziationspaare zu lernen. Du sitzt im Nebenraum und liest dem Schüler Wortpaare vor:

Blau Schachtel
Schön Tag
Wild Vogel
usw

Anschließend muss der Schüler sich an das zweite Wort erinnern: Du liest vor:

Blau: Himmel, Tinte, Schachtel, Lampe.

Entsprechend der Position der richtigen Antwort drückt der Schüler einen von vier Knöpfen. Du kontrollierst die Antworten anhand von vier Kontroll-Lampen. Zur Versuchsanordnung gehört auch der Schockgenerator.

Vor dir befindet sich eine Tafel mit 30 Kippschaltern. Sie sind beschriftet mit 15 Volt, 30 Volt, 45 Volt usw bis 450 Volt. Jeweils vier Schalter tragen die Bezeichnung: „Leichter Schock“, „Mäßiger Schock“, „Mittlerer  Schock“, „Kräftiger Schock“, „Schwerer Schock“, „Sehr schwerer Schock“, „Gefahr: Bedrohlicher Schock“. Zwei Schalter nach dieser letzten Bezeichnung tragen nur die Markierung „X X X“.

Wenn ein Kippschalter betätigt wird, leuchtet über ihm eine rote Kontrollampe auf; man hört ein elektrisches Summen; ein elektrisches Blaulicht mit der Aufschrift „Spannungsverstärker“ blitzt auf; der Zeiger auf dem Voltmeter schlägt aus.

Bevor es losgeht, erhältst Du einen Probeschock von 45 Volt.

Bei jeder falschen Antwort musst Du auf dem Schockgenerator eine Stufe höher gehen. Du musst vor der Verabreichung die Voltstärke ankündigen. Z.B.: „Sie erhalten jetzt einen Schock von 150 Volt!“ Falls Du bis 450 Volt gehen wirst, sollst Du diese Stufe beibehalten. Nach zwei weiteren Versuchen wird der Versuchsleiter abbrechen.

Der einzige Ansporn, den Du erhalten wirst, besteht aus vier Sätzen, die jeweils der Reihe nach gesagt werden, bis Du den Schalter umlegst.

1 – Zuerst:

Bitte machen Sie weiter! Oder: Bitte fahren Sie fort!

2 – Falls das nicht nutzt:

Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen!

3 – Dann:

Sie müssen unbedingt weitermachen!

4 – Die letzte Steigerung:

Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen.

Das Maß für den Gehorsam ist gleichsam die Stromstärke, die Du als Lehrer maximal zu geben bereit bist, bevor Du den Versuch auf jeden Fall abbrechen wirst. Die Auslosung nach Schüler und Lehrer war natürlich Betrug: Du bist die eigentliche Versuchsperson, Du wurdest auf jeden Fall der Lehrer. Gemessen wird Deine Bereitschaft gehorsam zu sein.        

 

Soweit der Versuchsaufbau. Nun zu den Ergebnissen:

In einem Vorversuch gab es außer den Lämpchen keine Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler.

Nahezu keine Versuchsperson brach den Versuch ab. Alle fragten so lange, bis auch der Schalter mit der höchsten Voltstärke umgelegt wurde. Kaum einer ließ sich von den Aufschriften über den Schaltern beeindrucken.

Also musste ein Schauspieler den Schüler spielen. Auch wenn der Schüler zunächst mäßig, dann auch schärfer  protestierte, führte die Mehrheit der Versuchspersonen den Versuch bis zum bitteren Ende der Skala durch.

Im eigentlichen Versuch wurden dann bestimmte Äußerungen an eine bestimmte Voltstärke gekoppelt:

 75 Volt: leichtes Knurren

120 Volt: „Es tut weh“

135 Volt: schmerzliches Stöhnen

150 Volt: Schreie „Ich weigere mich!“

180 Volt: Brüllen „Ich kann nicht mehr!“

270 Volt: Qualvolles Brüllen

300 Volt: Der Schüler weigert sich, noch Antworten zu geben.

Der Versuchsleiter gibt die Anweisung, dies als falsche Antwort zu werten und nach 5 bis 10 Sekunden Toleranzzeit weiterzumachen.

Nach 330: Keine Antworten mehr

Diese Versuchsanordnung soll also zu einem Konflikt führen: Einen Konflikt zwischen dem Gehorsam gegenüber der Forderung des Versuchsleiters weiterzumachen und der zunehmend dringenden Bitte des Schülers, das Experiment abzubrechen. Die jeweils maximale Voltstärke ist das Maß für Deinen Gehorsam.

Vorher wurden Menschen gefragt, ob sie bei diesem Versuch abbrechen würden und wann. ALLE Menschen gaben an, in jedem Falle abzubrechen. Eine ganze Reihe würde sich sogar weigern, auch nur den ersten Schock zu geben. Keiner würde einen „Sehr schweren Schock“ geben, für die meisten wäre der „Mittlere Schock“ die äußerste Grenze.

Die Zahlen der dann durchgeführten Versuche sprechen eine andere Sprache:

62 Prozent gingen bis zum bitteren Ende über „X X X“ hinaus. Und erschreckend viele der übrigen machten erst beim „Sehr schweren Schock“ Schluß.

Selbst wenn man die Anordnung veränderte und der Schüler im selben Raum saß wie der Lehrer, waren es noch 40 Prozent, die 450 Volt an einen Schüler verabreichten, der keine Äußerung mehr von sich gab.

In einer weiteren Versuchsreihe bekam der Schüler nur dann einen Schock, wenn seine Hand auf einer „Schockplatte“ lag. Ab 150 Volt weigerte sich der Schüler, und der Lehrer musste mit steigender Gewalt die Hand selbst auf die Platte drücken: Immer noch zogen 30 Prozent bis zum bitteren Ende durch!!!

Das Experiment wurde unter veränderten Bedingungen immer wieder wiederholt.

Ändert sich das Ergebnis, wenn …

  • Frauen statt Männer Versuchspersonen sind?
  • der Versuchsleiter direkt neben dem Lehrer steht?
  • wenn der Versuchsleiter zwar im Raum sitzt, aber weiter entfernt hinter einem Schreibtisch?
  • wenn er den Raum verlässt und die Anweisungen nur noch per Telefon gibt?
  • wenn der Schüler vorher unterschreiben muss, dass er sich freiwillig am Experiment beteiligt und alle Beteiligten von jeglicher Haftung an den Folgen freispricht?
  • wenn das Labor in einem Hinterhof statt hinter einer renommierten Fassade eingerichtet ist?
  • wenn der Schüler zwar unter Schmerzen schreit, aber dennoch bittet weiterzumachen, weil er es als seine Pflicht ansieht?

Teilweise kommt es zu abweichenden Ergebnissen. Immer ist jedoch der Bereitschaft, einfach weiterzumachen, enorm.

Das Ergebnis widerspricht allen Prognosen, die Versuchspersonen über ihr eigenes Verhalten abgegeben haben.

Der Autor schreibt: „Das Dilemma, das sich aus dem Konflikt zwischen Gewissen und  Autorität ergibt, ist in der Gesellschaft selbst beschlossen, und wir würden damit leben müssen, selbst wenn es Nazideutschland nie gegeben hätte. Wenn man das Problem ausschließlich historisch behandelt, verleiht man ihm eine allzu große, zu Illusionen verleitende Distanz.

Manche lehnen das Nazi-Beispiel ab, weil wir heute in einer Demokratie und nicht in einem autoritären Staat lebten. Aber das Problem wird dadurch nicht beseitigt. Denn es lautet nicht „unbedingte Autorität in der Art politischer Organisation“ oder „Gruppe von psychischen Einstellungen“, sondern „Autorität“. Unbedingte Autoritätsgläubigkeit kann demokratischer Praxis weichen, aber Autorität als solche kann nicht ausgeklammert werden, solange die Gesellschaft in der uns vertrauten Form weiterexistieren soll.

In Demokratien werden Menschen durch öffentliche Wahlen in ihr Amt eingesetzt. Doch sobald sie einmal installiert sind, besitzen sie nicht weniger Autorität, als jene, die durch andere Mittel  ihre Position erlangt haben. Und wie wir wiederholt gesehen haben, können auch die Forderungen einer demokratisch installierten  Autorität mit dem Gewissen in Konflikt geraten. Der Import und die Vernichtung der indianischen Bevölkerung Amerikas, die Intervenierung japanischer US-Bürger, der Einsatz von Napalm gegen Zivilisten in Vietnam – alle diese Aktionen waren grausam und entsprangen der Autorität einer demokratischen Nation, und man begegnete ihnen mit dem erwarteten Gehorsam. In jedem einzelnen Fall erhoben sich Stimmen des moralischen Protests, doch die typische Reaktion des Durchschnittsmenschen war, den Befehlen zu gehorchen.“

Inzwischen sind mehr als 20 Jahre vergangen. Mich würde eine Neuauflage dieses Versuches interessieren.

Ich weiß heute auch nicht mehr, ob es unbedingt ein Problem des Gehorsams ist. Ist es gehorsam, wenn man in das verlogene Geheul eines Teils unserer Politiker und des amtierenden Innenministers einstimmt, es gäbe massenhaften Asylmissbrauch in unserem Land und mögliche Asylbewerber müssten durch reduzierte Sozialhilfe usw. abgeschreckt werden, es kämen ganz „Fluten“ von ihnen in unser Land usw.? Jeder, der sich ein wenig für Flüchtlingsarbeit interessiert, kann wissen, wie verlogen dieses Geheul ist. Jeder  kann wissen, dass Bürgerkriegsflüchtlinge von den Ämtern der Gemeinden zum Asylmissbrauch aufgefordert werden, damit nicht mehr die Gemeinden, sondern andere Kostenträger für die Unterbringung zuständig werden. Jeder kann es wissen…

Und dennoch „legt“ die brave Omi von nebenan „den Schalter um“,  redet von ihrer Angst vor diesem „Pack“ und dass sie dringend „raus müssten“. Und dennoch klatschen ansonsten unauffällige Familienväter Beifall, wenn Brandsätze auf Asylheime geworfen werden.  Dennoch werden Menschen zu reiner Manövriermasse für skrupellose Politiker, die künstlich die Bearbeitungsdauer von Asylanträge verlängern und im Gegensatz dazu öffentlich erklären, sie seien zu lang, und viel mehr Menschen müssten ohne individuelle Prüfung ihres Schicksals unmittelbar wieder abgeschoben werden können.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Milgram-Experiment und der gegenwärtigen Asyldebatte? Gibt es vielleicht auch einen Zusammenhang zwischen dem Experiment und der gestiegenen Gewaltbereitschaft (nicht nur) unter Jugendlichen in unserer Gesellschaft?

Ich weiß es nicht. Mir würde es reichen, wenn der eine oder die andere nachdenklich würde über seine eigene Gehorsams- und Gewaltbereitschaft – und heute aufsteht gegen Gewalt gegen Menschen, Frauen, Männer und Kinder, egal welche Hautfarbe sie tragen und egal, ob die Gewalt sich institutionell durch Asylgesetzgebung oder ganz offensichtlich durch Brandsätze geschieht…

Bernd Kehren (ca. 1995)

Literatur:

Stanley Milgram,
Das Milgram-Experiment.
Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität.

Deutsch von Roland Fleissner.
1974 Rowohlt Verlag, Hamburg

Aus diesem Buch wird ziemlich viel ohne besondere Kennzeichnung sinngemäß und wörtlich zitiert.

Zu diesem Buch gibt es auch einen Film. Er hat seinen Titel in Anlehnung an die Geschichte von der „versuchten Opferung des Isaak“.

Film: „Abraham – ein Versuch“
BRD, 1970
Regie: Hans Lechleitner / Paul Matussek / David M. Mantell
16 mm / Lichtton / schwarz-weiß
48 Minuten
Link: https://www.fernuni-hagen.de/videostreaming/zmi/video/1986/86-16_76674/

Gemeinde – Oase für Kinder

1994 hat meine Landeskirche die Arbeitshilfe „Gemeinde … Oase für Kinder“ vorgestellt. Die folgende Arbeit ist eine religionspädagogische Analyse und kritische Würdigung.

Titelbild der Arbeitshilfe "Gemeinde ... Oase für Kinder"

 

„Gemeinde … Oase für Kinder“
Von den Chancen der Arbeit mit Kindern in der Kirche.
Eine Arbeitshilfe, vorgelegt vom Ausschuß „Arbeit mit Kindern“ der Ev. Kirche im Rheinland, Düsseldorf 1993/1994
– Religionspädagogische Analyse und kritische Würdigung –
von Bernd Kehren

Inhalt

1. Einleitung
2.1 Kinder
2.2 Gemeinde
2.3 Kinder in der Gemeinde
2.4 Das Kind in der Familie
2.5 Kinder – von Gott angenommen
2.6 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
3. Themen, die nicht vorkommen
4. Schluss
Literaturverzeichnis
Anhang 1: Peter Beier, Ein Testament?
Anhang 2: Inhaltsverzeichnis von „Gemeinde … Oase für Kinder“
Bestellmöglichkeit

 

„Kinderlärm ist Zukunftsmusik.“1
„Mir war klar, dass nicht das gesamte Presbyterium diese Auffassung mit mir teilen würde.“
2

1. Einleitung

Schön, dass es diese Arbeitshilfe gibt. Wer sie mit einem offenen Herzen durcharbeitet, wird viele Anregungen bekommen. Man wird über den einen oder anderen Mangel in der Praxis der eigenen Gemeinde stolpern – hoffentlich wirklich nur den einen oder anderen. Und man wird entdecken, dass der Titel der Arbeitshilfe eigentlich ergänzt werden müsste:
„Gemeinde … Oase für Kinder – Kinder … Oase für die Gemeinde“.

2.1 Kinder

Traditionell3 gliedert sich die Betrachtungsweise von Kindern in folgende Bereiche: Kinder in der Familie (von der Geburt an). Hier findet das Kind die nötige Geborgenheit, um eine eigene Persönlichkeit zu werden, indem es nachahmen und sich identifizieren, sich aber auch reiben kann. Die erste religiöse Erziehung sollte in der Familie stattfinden. Das Versprechen der Gemeinde, sich an der religiösen Erziehung der Kinder zu beteiligen, wird ab ca. 3 Jahren im evangelischen Kindergarten und später im Kindergottesdienst wahrgenommen. Ungefähr mit der Konfirmation beginnt die Entwicklungsphase der Jugend. Dies entspricht in etwa übereinstimmender Auffassung, derzufolge mit etwa dem elften bis zwölften Lebensjahr der Übergang zum Jugendalter erfolgt. 4 Als Kinder hat die Arbeitshilfe etwa diese Altersgruppe bis etwa 12 Jahre im Blick.

2.2 Gemeinde

Blickt man auf die verschiedenen „Urgemeinden“ des Neuen Testaments, so bietet sich ein sehr vielfältiges Bild.5 Sie haben aber alle gemeinsam, dass sie auf bewusste Hierarchien verzichten und nur Christus als das Haupt anerkennen. Um die Einheit der Gemeinden in der Auseinandersetzung mit Häresien und wegen der immer länger ausbleibenden Parusie zu sichern, bildete sich das Amt des Bischofs und über die Dauer der Kirchengeschichte eine ausgeprägte Hierarchie. Es gab immer wieder Versuche, dies zu unterbrechen. Die Reformation führte zwar das allgemeine Priestertum der Gläubigen ein, konnte aber letztlich an der Amtsstruktur mit der Vorordnung des Pfarrers vor die Gemeinde nichts ändern. Im Pietismus entstand ein weiterer Versuch, die Hierarchien aufzuweichen, der sich aber ebenfalls nicht bis in die heutigen Landeskirchen durchsetzen konnte, sondern sich in freien selbständigen Werken eher neben den Kirchen verwirklichte. Gemeindepädagogik versucht, durch vielfältige Kommunikationsstrukturen und die ausdrückliche Beteiligung von Mitarbeitern zu neuen Umgangsweisen in der Gemeinde zu gelangen.

Dies spiegelt sich in der Arbeitshilfe vielfältig wieder, indem Kinder und ihre Eltern von Anfang an in ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten wahrgenommen werden und in einem großen Netzwerk der Gemeinde verbunden werden – in diesem Falle im Bild einer Oase.

2.3 Kinder in der Gemeinde

Betrachtet man die Arbeitshilfe hinsichtlich der beiden vorgenannten Punkte, so fällt auf, dass sie Kinder und Eltern nicht in der relativ starren Einteilung von Kindergarten und Kindergottesdienst begrenzt, sondern in ihren vielfältigen Bedürfnissen wahrnimmt. Als Ideal entsteht das Bild einer kinderorientierten Gemeinde, in der die Eltern nach der Taufe ihrer Kinder zu Gesprächskreisen (mit Babysitter-Vermittlung) und Eltern-Kind-Gruppen eingeladen werden. Sie sollen sich in ihrer speziellen Situation austauschen und dabei Gemeinde erfahren können. Ihre Teilnahme am Gottesdienst wird durch das Angebot von „Krabbelgottesdiensten“ ermöglicht, in denen die Eltern nicht verkrampft darum bemüht sein müssen, störenden Lärm ihrer Kinder zu vermeiden, die nichts anderes tun als ihrem entwicklungsgemäßen Erkundungs- und Bewegungsdrang nachzugeben. Vorbereitet werden diese als kleine Feste gestalteten Gottesdienste wiederum in den Eltern-Kind-Gruppen, in denen Eltern und Kinder neue Lieder geübt und Gegenstände selbst angefertigt haben. So vorbereitet werden die Familien auch beim Abendmahl nicht auseinander gerissen. Am gemeinsamen Leben mit den Kindern hat die Gemeinde gelernt, Glauben nicht nur vom Kopf her zu denken, und Abendmahl als ein Geschehen zu betrachten, das erlebt werden muss und das kein Diskussionsgegenstand für eine „intellektuelle Elite“6 ist.

Auf die Bedürfnisse von älteren Kindern, die vor allem in den Großstädten kaum noch Räume zur Selbstentfaltung haben, gehen Kindertreffs ein. Durch regelmäßige Besuche und gemeinsam gestaltete Gottesdienste und Feste entstehen über Eltern, Großeltern, Bekannte und Nachbarn, aber auch über übergemeindliche Verknüpfungen etwa zur Grundschule und zum Jugendamt weitere Kontakte: Kinderorientiere Gemeinde als Form des Gemeindeaufbaus. Behinderte Kinder werden bewusst in integrative Kindergärten aufgenommen und es werden Freizeiten mit ihnen gemeinsam durchgeführt.

2.4 Das Kind in der Familie

Familie ist sehr privat und darin sehr autonom geworden und entsteht, „indem Eltern und Kinder ihre Gemeinschaft selbständig gestalten.“7 Familie kann für das Kind Heimat werden, indem es sich mit seinen Bezugspersonen identifiziert und dabei aktiv eigene Handlungs- und Deutungsmöglichkeiten findet. Die Privatheit der Familie bietet Chancen und Gefährdungen. Weil Familien so klein geworden sind, fehlen den Mitgliedern unter Umständen Rückzugsmöglichkeiten, etwa zu anderen Verwandten. Die Konsumwelt ersetzt Symbole alter Lebensformen und transportiert vorgefertigte Lebensmuster bis ins Kinderzimmer. Die Enge in der Familie macht diese „Nische des Glücks“8 zerbrechlich. Um innerlich wachsen zu können braucht das Kind Bestätigung und Möglichkeit zur Abgrenzung. Es ist erforderlich, dass die Eltern sich selbst und den Kindern gegenüber als verschieden, unabhängig und gleichrangig behandeln. Kinder brauchen die Erfahrung, unbedingt bejaht zu werden.

Gemeinde wird nur dann Oase für Kinder, wenn sie auch die Familien und deren Situation im Blick hat. Konkret wird dies an verschiedenen Teilen der Arbeitshilfe. Es fängt sofort mit dem Thema „Abendmahl mit Kindern“ an, setzt sich mehrfach unter dem Thema „Vernetzung der Gemeinde über ihre Kinderarbeit“ fort. „Beratung – Sexueller Mißbrauch an Kindern“ ist ein weiterer Punkt. Ganz praktisch ist die „Standortbestimmung“ von Adolf-Leopold Krebs, die mit einer Vision endet, in der die zugezogene Familie auf die Angebote der Gemeinde aufmerksam gemacht wird – einschließlich der Babysitter-Vermittlung für die Veranstaltungen für junge Eltern. Manchmal sind es gerade die liebevollen „Kleinigkeiten“, die Gemeinde zur Oase werden lassen. Im dritten Teil der Arbeitshilfe kommt die Familie in den Kapiteln über Gottesdienste mit Kleinkindern, und über Eltern-Kind-Gruppen in den Blick. Für beides gilt: Sie ermöglichen den Kindern, ihre Bedürfnisse nach Bewegung, räumlichen Erkundungen, neuen Beziehungen, Äußern ihrer Lebensfreude zu erfüllen. Den Eltern wird gezeigt, dass sie in ihrer Lebenssituation akzeptiert werden, ihnen werden Kontakte zu anderen ermöglicht, sie lernen, einfach, verständlich und kindgerecht ihren Glauben nahezubringen und sie erhalten eigene religiöse Orientierung.9

2.5 Kinder – von Gott angenommen

Drei neutestamentliche Charakteristika für die Begegnung Jesu mit Kindern zählt die Arbeitshilfe auf:10

  1. „Kindern wird Das Reich Gottes eben nicht wegen besonderer subjektiver Fähigkeiten zugesprochen, sondern gerade weil ihnen … objektiv die besonderen Fähigkeiten fehlen.“11
  2. Theologisch drückt sich darin die Erkenntnis des sola gratia und sola fide aus.
  3. Das Kind hat bei Jesus einen Ehrenplatz (Lk 9,47).

„Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht.“ (Mk 10,14) Indem Jesus die Kinder hautnah zu sich nimmt, betont er die Bedeutung dieses Wortes und stellt sie so „direkt neben die Mühseligen und Beladenen, die Armen, die Sünder, die Verlorenen, die Leidenden“ der Seligpreisungen.

Dies sollte auch in der Theologie zum Ausdruck kommen. „Das Kind ist also nicht Objekt der Belehrung, unfertiges Rohmaterial, das irgendwann zum Erwachsenen und vollwertigen Gemeindeglied heranreifen wird. Das Kind hat schon jetzt den Ehrenplatz.“12

Deswegen empfiehlt die Arbeitshilfe auch gegen vielfältige Einwände u.a., die Arbeit mit Kindern zum Mittelpunkt einer Vernetzung in der Gemeinde zu machen.13 Die Gemeinschaft Gottes mit den Kindern wird z.B. auch im Beitrag über „Kindergarten, Kindertagesstätte, Hort“ hervorgehoben – zusammen mit den Möglichkeiten zur Vernetzung in der Gemeinde, aber auch außerhalb von ihr. 14

Der vollen Annahme der Kinder durch Gott entspricht die Erkenntnis, dass auch Kinder auf ihre Weise vollwertige Menschen sind. Dementsprechend kann sich die Gemeinde nicht in zwei Gruppen teilen, so dass die eine Gruppe „diakonisch“ für die andere sorgt und diese die Hilfe ohne echte Möglichkeit zu einer Gegenleistung entgegennehmen muss. Die Arbeitshilfe stellt gegen eine solche kirchlich-theologische Apartheitsstruktur 15 ausdrücklich „Ulrich Bachs Plädoyer für eine solidarische Diakonie, die nicht im „Machen für“, sondern im „Leben mit“ besteht, in der Bejahung eines Menschenbildes, das das Angewiesensein und die Bodenlosigkeit einschließt“. 16 Zum Umgang mit der Bibel wird in diesem Zusammenhang gesagt: „Die entsprechenden Texte sind nicht nur auszulegen, (sondern) zu begehen und zu feiern.“17

Dies äußert sich in der Arbeitshilfe auf mehrfache Weise.

a) Damit Kinder volles Gehör finden, wird empfohlen, etwa einen Kinderpresbyter oder eine Kinderpresbyterin zu bestimmen. 18 In einem gewissen Gegensatz dazu steht – mir nicht ganz verständlich – die Bemerkung von Rüdiger Maschwitz, „kinderorientierte Gemeinde“ meine nicht, „daß die Kinder die Gemeindearbeit bestimmen und sagen, wo es lang geht.“ 19 Wenn Gemeinde wirklich ein Geben und nehmen ist und Kinder ernstgenommen werden sollen, dann müssen sie auch mitbestimmen können, „wo es lang geht“. Es entspricht den feinen und vorsichtig kritischen Bemerkungen dieser Arbeitshilfe, wenn ich behaupte, dass es vielerorts ganz im Gegenteil so ist, dass Kinder überhaupt nicht wahrgenommen werden – da, wo es lang geht. So empfiehlt im Schlusswort Präses Peter Beier „seinem Enkel“: „Vergiß uns, mein Junge, wenn es sein muß… Misch‘ dich ein. Halte dich nicht heraus… Besser ist es, zu widerstehen.“20 Auch wenn dies bei Kindern seine Grenzen hat: Die „Großen“ sind aufgerufen, auf Kinder in der Gemeinde zu achten, „aber nicht nur als ein Gegenstand in Gruppen, sondern als Menschen, die wir von Angesicht zu Angesicht kennen und schätzen.“ 21

b) Dieses Menschenbild äußert sich weiterhin darin, wie auf verschiedenste Weise behinderte und benachteiligte Kinder in den Blick kommen. „Von behinderten Kindern Gemeinde leben lernen. Das kleine Glück … und noch viel mehr“ 22 und „Beratung – Sexueller Mißbrauch an Kindern“ 23 sind Titel im ersten Teil der Arbeitshilfe,. und im dritten Teil widmen sich gleich drei weitere Beiträge um behinderte Kinder: Integrative Kindergärten werden vorgestellt 24 und eine Stellungnahme der rheinischen Landeskirche dazu abgedruckt25, sowie ein Beitrag über „integrative Freizeiten“ 26.

c) Die Kinder kommen nicht nur „in den Blick“, sind nicht nur Empfänger von Gaben; im Kontakt mit ihnen kann man auch eine Menge lernen, was man ohne sie vergessen würde. Werner Pohl beschreibt, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kinderarbeit wachsen und über sich selber lernen. 27 Und er erzählt, wie Pfarrerinnen und Pfarrer eine neue lebendige Beziehung zur Theologie bekommen. „Es fällt ihnen leichter, Glauben beim Namen zu nennen, „Gott“ zu sagen, sich ihres eigenen Glaubens zu freuen. Sie lernen, die biblische Botschaft elementar zu verkündigen, das Evangelium so umzusprechen, daß es verstehbar, auch fühlbar und greifbar wird. Sie entdecken: So eine elementare Verkündigung brauchen nicht nur Kinder, sondern ebenso Erwachsene.“ 28 Ein anderes Beispiel erzählt Günter Ruddat von einem geistig behinderten Kind, das nach der eigenen Einsegnung mit den leise gestammelten Worten „Du auch!“ den Pfarrer segnet: „Nach dem Gottesdienst beginne ich langsam zu verstehen: Birgit hat mich aus der „amtlichen“ Funktion heraus-gelöst und ihren Segen weitergegeben. Wer hat das schon gelernt?“29Das führte dann dazu, dass in einem Kindergottesdienst später diese Erfahrung modifiziert weitergegeben wurde, als „Segen“ erklärt werden sollte. Damit wird Behinderung nicht verklärt und es wird ihr auch kein besonderer Sinn gegeben. (Als ob Nichtbehinderung verklärt würde, wenn man Nichtbehinderten oder Erwachsenen unterstellte, dass man von ihnen lernen könne!) Aber Behinderte und Kinder werden damit als eigenständige Menschen in einer echten Beziehung wahr- und ernstgenommen.

d) Nicht zuletzt gehört zum Kindsein das Spielen. Die Arbeitshilfe lenkt den Blick darauf, dass davon auch Erwachsene lernen können, insbesondere sich in andere Menschen hineinzudenken und Probleme zu lösen. Die Spiele, mit denen das Heft eingeleitet wird und mit denen es ausklingt, sind ein gutes Beispiel dafür. Direkt zum Einstieg 30 werden vier Gruppen zusammengebeten („Pfarrer/in und Hauptamtliche“, „Presbyterinnen und Presbyter“, „Eltern und andere Gemeindeglieder“ sowie „Kinder“), um Menschen aus dem Presbyterium, aus dem Pfarramt, aus der ganzen Gemeinde oder aus einer Jugendfreizeit die Möglichkeit zu geben, sich in das Denken und Fühlen anderer zu versetzen. Jede Gruppe erhält eine Rollenbeschreibung und eine Situation vorgegeben, in der letztlich die Frage diskutiert wird: „Wo/wie müssen wir ansetzen, was wäre zu tun (oder zu lassen), um von der Kirchengemeinde her Kinder anzusprechen und zu gewinnen.“ Anschließend treffen sich alle Gruppen zur „Gemeindeversammlung“, um in einer zweiten Runde des Spiels die Fragen zu vertiefen.

Ein umfangreiches Brettspiel zum Ausschneiden und Aufkleben mit Ereignis- und Fragekarten rund um die Räume eines Gemeindezentrums und den Gemeindesaal bildet den Schluss und lädt ein, sich beim Spielen Gedanken über die Kinderarbeit in der Gemeinde zu machen. Die Grenzen zwischen Spiel und Arbeit (Nachdenken über Gemeindekonzeption und welche Rolle die Arbeit mit Kindern darin spielt) verschwimmen. Und so wird insgesamt deutlich, dass Gemeinde nicht nur aus bitterem Glaubensernst besteht, sondern es scheint auch etwas von der spielerischen Leichtigkeit des Himmels hindurch, in den man nur gelangen kann, wenn man wird wie die Kinder – während gleichzeitig sehr ernst und konzentriert über die konkreten Verhältnisse nachgedacht wird.

2.6 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Wie schon unter 2.2 kurz ausgeführt, ist unsere Kirche bis heute davon geprägt, dass Pfarrer allein durch ihre Dienstvorschrift jeweils die letzte Entscheidungsbefugnis haben. Modelle der Gemeindepädagogik versuchen, ein partnerschaftlicheres Verhältnis einzuführen. Damit die oben genannten Vernetzungsstrukturen funktionieren können, braucht es qualifizierte, eigenverantwortliche haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei werden drei Grundqualifikationen unterschieden 31: Eine theologisch-hermeneutische, eine theologisch-pädagogische und eine theologisch-sozialdiakonische Qualifikation. Eine Ausbildung in allen drei Bereichen bedeutet aber eine Überforderung. „Universalkompetenz führt zu Universaldilletantismus.“32 Die Arbeitshilfe deutet das Problem schon an einer Überschrift an: „Ein bißchen mit Kindern arbeiten kann doch jede/r, oder?“33 So werden qualifizierte Mitarbeiter demotiviert und die in 2.4 angedeuteten Probleme verniedlicht und verharmlost. Häufig werden Jugend- und Kinderarbeit gegeneinander ausgespielt, genau wie auch ehrenamtliche gegen hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das soll nicht sein. Angesichts der sehr unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen z.B. von Eltern, die eine sorgfältige Garantie der Aufsichtspflicht verlangen und denen der Kinder, die nicht nur spannende Programme geboten bekommen wollen, sondern auch Anerkennung und ein Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Solidarität, brauchen ehrenamtliche Mitarbeiter eine optimale Ausstattung der Arbeit und eine angemessene Beratung und Begleitung seitens der Hauptamtlichen.34 Diese stehen wiederum in einem ständigen Rollenkonflikt mit den Leitungsgremien, dass sie die Zielsetzung der Gemeinde unterstützen, ständig zur Verfügung stehen, Teamfähigkeit beweisen, sorgsam mit dem Geld umgehen und für saubere Räume sorgen. 35 „Zur Erreichung dieser Ansprüche benötigen hauptberuflich Tätige Planungssicherheiten und Anerkennung der Professionalität ihrer Arbeit. Es ist mehr denn je notwendig, dass Leitungsgremien in Gemeinden wegkommen von der bisherigen Denkweise, dass ihre Angestellten „Mit“-ArbeiterInnen sind, die u.a. in der Arbeit mit Kindern mitarbeiten. Hauptberuflich Tätige verantworten ihre Arbeitsbereiche weitestgehend selbständig und brauchen die Anerkennung ihrer Tätigkeit als Arbeit.“ 36 Dabei gilt aber, dass die Arbeit nur von hauptamtlichen Kräften nicht zu bewältigen ist. Insbesondere die Kindergottesdienstarbeit belegt dies mit ihrer großen Zahl freiwilliger Helferinnen und Helfer.

3. Themen, die nicht vorkommen

a) Vermisst habe ich einen Beitrag über die Taufe. So manche Taufe habe ich schon erlebt, die eher lieblos (und gar nicht wie eine „Oase“) irgendwie im Haupt- oder Kindergottesdienst untergebracht war und mehr oder weniger zügig nach Agende „durchgezogen“ wurde. Die vielen Säuglinge dürften dies zwar nicht merken. Dafür empfinden die leider häufig nicht sehr mit Gottesdienst vertrauten Eltern und Paten sehr deutlich, wie einladend der Gottesdienst auch für sie gestaltet war – oder nicht. Noch vor der Krabbelgruppe ist der Taufgottesdienst häufig nach langer Pause der erste Kontakt zur Gemeinde. Und ein solcher erster Eindruck kann die ganze weitere Beziehung prägen, in die das Kind – vermittelt zunächst durch seine Eltern – zur „Gemeinde-Oase“ eintritt oder nicht.

Gemeindepädagogische Möglichkeiten zur Gestaltung der Taufe 37 bestehen darin, schon im Taufgespräch erahnen zu lassen, wie Erwachsene und Kinder Gemeinschaft haben, indem sie Ängste beim Namen nennen und Hoffnungen und Befürchtungen aussprechen können. Sie sollen sich eingebunden fühlen können zwischen Paten und Gemeinde. Biblisch verankerte Symbole wie Wasser, Licht, Baum und Erde können besprochen und dann im Gottesdienst überreicht werden, vielleicht wird sogar ein kleiner Baum auf dem Gemeindegrundstück gepflanzt. Die Gemeinde kann die Gemeinschaft ausdrücken, indem sie die Taufeltern mit einem Kreis um den Taufstein umschließt und Wünsche für das Kind und seine Familie äußert. Vielleicht erhalten die Eltern ein Erinnerungsblatt, das nach dem Gottesdienst von der ganzen Gemeinde, evtl. bei einer Tasse Kaffee unterschrieben wird. Auf diese Weise könnte die Annahme durch Gott durch die Annahme durch Menschen ausgedrückt werden – wenn Gemeinde Oase für Kinder ist, bleibt dies auch nicht auf den Taufgottesdienst beschränkt.

b) Angeregt durch ein Buch von Josef Quadflieg habe ich weiterhin einen Beitrag über Kinder und Theologie 38 vermisst. Er würde wohl am besten in den mittleren, theoretischen Teil passen. Was löst Kirche bei Kindern (also noch keinen Jugendlichen) aus, wenn über Sünde oder den Teufel gesprochen wird? Nicht gerade selten geistern in den Köpfen der Erwachsenen noch Gedanken herum über Gott, der alles sieht und der Sünde bestraft – lange bevor Kinder überhaupt begreifen können, was damit gemeint ist. Aber diese Gedanken sind ausgesprochen und können in Kindern ein verheerendes Eigenleben annehmen. In weniger dramatischen Fällen kann es dazu beitragen, die Kinder langfristig von der Kirche und von Gott zu entfremden. So kann Gemeinde äußerlich zwar einer einladenden Oase gleichen, aber das Wasser in ihr wird als vergiftet empfunden.

Einige Beispiele sollen das verdeutlichen. 1967 wurden im römisch-katholischen „Rahmenplan für die Glaubensunterweisung“ der deutschen Bischöfe die Schöpfungserzählungen der Genesis aus den Grundschulbüchern vertrieben und erst für das 8. Schuljahr, also für 13 bis 14jährige Jugendliche vorgesehen. Die Jugendlichen sollen erst mit der Schöpfungsgeschichte bekanntgemacht werden, nachdem sie mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild konfrontiert wurden, damit biblische und naturwissenschaftliche Aussagen nicht zu Konkurrenzaussagen werden. 39 Das heißt nun nicht, dass „Schöpfung“ im Kindesalter nicht vorkommen darf. Nach einem Spaziergang im Wald etwa kann man die Kinder das Erlebte mal lassen. „Im Gespräch werden Sie sagen: Es gibt Menschen, die glauben: Das alles kommt von Gott. Sie sagen: Gott erschafft alles. Sie sagen: Gott, dafür loben wir dich! Dafür danken wir dir! – Es gibt andere Menschen, die sagen: Gott? Gott, das gibt es nicht. – Wenn Sie wollen, fügen Sie hinzu: Ich zum Beispiel, ich glaube, daß alles von Gott kommt.“ 40 Wichtig ist dabei auch die Aussage im Präsens, um den Eindruck zu vermeiden, dass „Schöpfung“ etwas schon abgeschlossenes ist.

Genauso empfiehlt Quadflieg etwa, nicht von Engeln zu Kindern zu sprechen. und entsprechende Bibelstellen ruhig auch auszulassen: „Die Kinder machen sich sonst märchenartige Vorstellungen, die dazu angetan sind, daß sie später sagen: Die ganze Bibel ist ein Kindermärchen; damit wollen wir als Jugendliche nichts mehr zu tun haben. Jeder Religionslehrer einer Hauptschule oder eines Gymnasiums kann Ihnen das bestätigen.“ 41

Ich halte es für wichtig, über diese Problematik aufzuklären und auch Eltern Hilfestellung für die religiöse Erziehung ihrer Kinder zu geben, auch wenn die Problematik z.B. bei der Zusammenstellung der Kindergottesdiensttexte sicherlich berücksichtigt wird. Dabei muss von der Sache her nichts Wichtiges ausgelassen werden, auch wenn bestimmte Begriffe und Inhalte zunächst ausgeklammert bleiben.

4. Schluss

Es bleibt nun nur noch zu wünschen, dass diese Arbeitshilfe – vielleicht in der angegebenen Weise erweitert – möglichst weite Verbreitung findet und mithilft, dass möglichst viele Presbyterien keine Widerstände mehr entgegenbringen, wenn sich Menschen dafür engagieren wollen, dass es im Gemeindehaus etwas lauter wird. Im Gegenteil: Wenn es zu leise wird, muss dies zum Nachdenken führen, wo wohl die Kinder geblieben sind.

 

Fußnoten

1. Unbekannt.
2. Veronika Kohmüller, 115.
Seitenangaben ohne Titelangabe beziehen sich immer auf die dieser Arbeit zugrunde liegende Schrift.
3. vgl.: Adam/Lachmann: Gemeindepädagogisches Kompendium.
4. Rainer Lachmann, TRE „Kind“, 156.
5. vgl. im Folgenden: Karl Foitzik: Die Mitarbeiter in den gemeindepädagogischen Handlungsfeldern. in: Adam/Lachmann, a.a.O., 162ff.
6. Gerda Schmeer, 18.
7. Harald Bewersdorf, 56.
8. Harald Bewersdorf, 57.
9. vgl. Doris Sandbrink, 113f – Gert René Loerken, 98f.
10. Harald Bewersdorff, 55f.
11. B. Vrijdaghs, Werden wie Kinder, EvErz 1980, S. 173f. Zitiert nach Harald Bewersdorf, 55.
12. Harald Bewersdorff, 56.
13. Rüdiger Maschwitz, 39f.
14. Adolf-Leopold Krebs und Rdiger Maschwitz, 24f.
15. vgl. Ulrich Bach: „Gesunde“ und „Behinderte“ : Gegen das Apartheidsdenken in Kirche und Gesellschaft. Göttingen, 1994.
16. Henning Schröer, 72. Vgl. Ulrich Bach: Boden unter den Füßen hat keiner : Plädoyer für eine solidarische Diakonie. Göttingen, 1980.
17. Henning Schröer, 72.
18. Erika Georg-Monney, 50.
19. Rüdiger Maschwitz, 39.
20. Peter Beier, Ein Testament? Aus dem Bericht des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland auf der Landessynode 1993 (Schlussteil), 127.
21. Rüdiger Maschwitz, 39.
22. Günter Ruddat, 28-30.
23. Friederike Stratmann, 44f.
24. Elsegret Pflug, Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder in evangelischen Kindergärten, 70f.
25. Entwurf einer Stellungnahme der rheinischen Kirchenleitung. Intergration beeinträchtigter Kinder und Jugendlicher, 80-84.
26. Jürgen Danielowski, 86f.
27. Werner Pohl, 22f.
28. Werner Pohl, 23.
29. Günter Ruddat, 29.
30. Jürgen Koerver, 11f.
31. Foitzik in: Adam/Lachmann, 176.
32. Foitzik in: Adam/Lachmann, 176.
33. Erika Georg-Monney, 34.
34. Erika Georg-Monney, 35.
35. Erika Georg-Monney, 36.
36. Erika Georg-Monney, 36.
37. Failing: Religiöse Erziehung in der Familie. In: Adam/Lachmann, 213f.
38. Josef Quadflieg: Theologie in Kinderköpfen? 10. Auflage Donauwörth, 1987.
39. Josef Quadflieg: Theologie in Kinderköpfen?, 79ff.
40. Josef Quadflieg: Theologie in Kinderköpfen?, 81.
41. Josef Quadflieg: Theologie in Kinderköpfen?, 37.

Literaturverzeichnis

„Gemeinde … Oase für Kinder“ : Von den Chancen der Arbeit mit Kindern in der Kirche. Eine Arbeitshilfe, vorgelegt vom Ausschuß Arbeit mit Kindern der Ev. Kirche im Rheinland. Düsseldorf, 1993/1994
(Seitenangaben ohne Titelangabe beziehen sich immer auf die dieser Arbeit zugrunde liegende Schrift.)

Gottfried Adam / Rainer Lachmann (Hg.): Gemeindepädagogisches Kompendium. Göttingen 1987.

Rainer Lachmann: TRE: Artikel „Kind“ .

Ulrich Bach: „Gesunde“ und „Behinderte“ : Gegen das Apartheidsdenken in Kirche und Gesellschaft. Göttingen, 1994.

Ulrich Bach: Boden unter den Füßen hat keiner : Plädoyer für eine solidarische Diakonie. Göttingen, 1980.

Josef Quadflieg: Theologie in Kinderköpfen? 10. Auflage. Donauwörth, 1987.

 

Anhang 1

Peter Beier

Ein Testament?
Aus dem Bericht des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland auf der Landessynode 1993
(Schlußteil)

Vielleicht ist nun alles, was wir. . . erörtern und bedenken, bedeutungslos im Angesicht der umfassenden Bedrohung, in die wir unseren Planeten manövriert haben und weiter manövrieren.
Die Wälder sterben.
Diese Rasse wird nichts lernen, selbst dann nicht, wenn ihr die Sonne Krebsflecken auf die Haut brennt.
Die einzige Hoffnung, die bleibt, findet für mich in einem schlichten frommen Satz der Väter und Mütter im Glauben Ausdruck: Gott, der Herr, sitzt im Regiment.
Es wird regiert.
Das sind keine Selbstberuhigungen, sondern Aufforderungen zu zähem Kampf für den Bestand der Schöpfung und die Erhaltung der Art, wenn es Gott gefällt.
Hätte ich jetzt ein Testament zu hinterlassen, ich schriebe meinem Enkel so:
Komm, ich erzähl‘ dir die Geschichte vom Turmbau zu Babel.
Die Geschichte erzählt dir alles über mich und meine Generation.
Sie erzählt alles über den Menschen.
Du fragst, was wir mit eurer Zukunft gemacht haben.
Du fragst, was ich gegen explodierenden Wahnsinn unternahm.
Ich kann vor deinen Fragen nicht bestehen.
Was wir gesagt und getan haben, war halbherzig genug.
Ich gehörte zu denen, die in Gottes Namen warnen wollten.
Das war viel zuwenig, wir hätten widerstehen müssen.
Aber es mangelte uns an Phantasie und Löwenmut.
Es mangelte an gemeinsamer Sprache.
Wir haben geredet. Aber aneinander vorbei.
Wir haben argumentiert. Aber über Köpfe und Herzen hinweg.
Das ist unsere Schuld.
Du trägst die Folgen. Nicht ich.
Wenn es für dich etwas zu lernen gibt, dann das:
Unsere Maßstäbe, unsere Werte taugen nicht zum Überleben.
Unsere Sprache ist verbraucht.
Unsere Denkgewohnheiten sind verelendet.
Darum sei genau, mein Junge.
Gib keinen Rabatt auf nachträgliches Gejammer.

Die Menge der Leute wird dir versichern:
Das haben wir nicht gewußt. Glaub‘ ihnen nicht.
Sie haben gewußt, was zu wissen war.
Sie hätten es wissen können.
Andere werden dir sagen:
Wir konnten nichts machen.
Glaub‘ ihnen nicht.
Sie hätten eine Menge machen können.
Vergiß uns, mein Junge, wenn es sein muß.
Es ist Zeit, uns zu vergessen.
Wie die Turmbaugeschichte lehrt.
Mach‘ dich mit anderen auf die Suche nach der neuen Sprache.
Sie ist da.
Buchstabiere das Wort Jesu Christi, besser als es uns je gelang.
Misch‘ dich ein. Halte dich nicht heraus.
Aus Politik und Wissenschaft.
Mach‘ dich sachkundig.
Nimm den Spaten und betrachte die Erde.
Lies die Seekarten.
Sprich mit den Fischen.
Sie werden dir antworten.
Mach‘ keine große Karriere.
Besser ist es, zu widerstehen.
Vielleicht ist das Ende offen.
Für dich und die Deinen.

 

Anhang 2:
Inhaltsverzeichnis von „Gemeinde … Oase für Kinder“

5
Vorwort des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland

6
Gemeinde. . . Oase für Kinder
Vorwort von Wolfgang Engels und Rudiger Maschwitz

10
Mitglieder des Ausschusses »Arbeit mit Kindern in der Evangelischen Kirche im Rheinland«

11
Zum Einstieg: Kind in der Gemeinde. Ein Rollenspiel
von Jürgen Koerver

14 Oase für Kinder.
Einleitung zum 1. Teil

I
In der Oase – zwischen Wüste und Paradies
Wichtige Handlungsfelder kirchlicher Arbeit mit Kindern

17
Abendmahl mit Kindern. Erfahrungen in der Gemeinde
von Gerda Schmeer

20
Kindergottesdienst. Eine Vision
von Werner Pohl

24
Kindergarten, Kindertagesstätte, Hort. Plädoyer für ein elementares kirchliches Handlungsfeld
von Adolf-Leopold Krebs und Rüdiger Maschwitz

26
Zur klassischen Gruppenarbeit: »Jungschar ade?!«
Interviews zur Arbeit mit Kindern in zwei Landgemeinden im Kirchenkreis Krefeld
von Veronika Kohmüller

28
Von behinderten Kindern Gemeinde leben lernen. Das kleine Glück… und noch viel mehr
von Günter Ruddat

31
Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine besondere Chance für alle
von Luise Pawlowsky

34
Zur Situation hauptberuflicher »Mit«-Arbeiterlnnen in der Arbeit mit Kindern
Ein bißchen mit Kindern arbeiten kann doch jede/r, oder?
von Erika Georg-Monney

31
Musizieren mit Kindern mit Herzen, Mund und Händen für den Leib Christi
von Ursula von den Busch und Michael Heering

39
Kinder in der Gemeinde. Die Vernetzung der Orte, an denen Kinder in der Gemeinde sind
von Rüdiger Maschwitz

41
Schule und Gemeinde. Zur Ganztagsbetreuung und Folgen für die Arbeit mit Kindern
Statements, gesammelt von Rüdiger Maschwitz und Markus Homann

44
Beratung – Sexueller Mißbrauch an Kindern. Gemeinde als Oase
von Friederike Stratmann

46
Sind wir eine kinderfreundliche Kirche?
Was zu tun ist, um das zu werden. Standortbestimmung und Perspektiven
von Adolf-Leopold Krebs

49
Prüfsteine für die Arbeit mit Kindern
von Erika Georg-Monney

52 Schwierige Wege zwischen Wüste und Oase.
Einleitung zum 2. Teil

II
Eine Oase hat viele Quellen

Grundsätzliches zu einer kirchlich-gemeindlichen Arbeit mit Kindern

55
Das Bild der Kinder in der Bibel – Das Bild des Kindes in der Familie
von Harald Bewersdorff

62
Grundlegende Informationen zum Leben der Kinder
und Anregungen zu einer kinderorientierten Gemeindearbeit
von Rüdiger Maschwitz

71
Möglichkeiten eines kinderfreundlichen Gemeindeaufbaus
von Henning Schwer

76
Die Oase bringt Früchte.
Einleitung zum 3. Teil

III
Früchtekorb

Beispielhafte Hoffnungszeichen und Perspektiven aus der Arbeit mit Kindern

Behinderte Kinder

78
Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder in evangelischen Kindergärten
von Elsegret Pflug

80
Integration beeinträchtigter Kinder und Jugendlicher
Entwurf einer Stellungnahme der rheinischen Kirchenleitung

86
Integrative Freizeiten
von Jürgen Danielowski

Kindergottesdienst

88
Die Tempelreinigung. Ein Rollenspiel zu Mt 21,12-17
von Werner Pohl und Lothar Wand

91
Was suchet ihr den Lebendigen bei den Toten? (Lk 24,1-12)
Ein Ostergottesdienst, der auch als Familiengottesdienst gefeiert werden kann von Werner Pohl

95
Kinder-Bibel-Tage. Bericht über biblisch orientierte Kindertage
von Ernst Richter

98
Gottesdienste mit Kleinkindern
von Gert Rene Loerken

100
Krabbelgottesdienst – wie soll ich mir das vorstellen?
von Annette Beuschel

101
Kindergottesdienst und Kinderarbeit. Ergebnisse der Erhebung
zusammengestellt von Markus Homann

Soziokulturelle Arbeit mit Kindern

103
Kinder-Filmstadt Hollywuzz
von Arnold Köppen und Erich Schriever

106
Kinderkulturarbeit durch eine evangelische öffentliche Bücherei
von Sigrid Deichmann

108
Wenn Töne Treppen steigen und Texte triumphieren – Kinderlieder selber machen! von Luise Pawlowsky

110
Das Gauklermärchen. Ein Theater von Kindern für Kinder
von Andrea Visser

111
Kinderfreizeit. »Bitte anschnallen, gleich fliegen wir los!«
von Ulrike Vogt

Neue Pflänzchen in der Oase. Versuche neuer Wege

113
Eltern-Kind-Gruppen
von Doris Sandbrink

115
Offener Kindertreif. Zwischen verschiedenen Nationen, Hausaufgaben und Ganztagsbetreuung
von Veronika Kohmüller

118
Der Offene Kindertreff »Stoppelhops« für Kinder von 6 bis 10 Jahren
von Urs Zietan

119
Erlebnistage für Schulklassen. Schule ist überall
von Luise Pawlowsky

121
Tagesbetreuung von Kindern und Jugendlichen
Hinweis auf die Arbeitshilfe für Kirchenkreise und Gemeinden

122
Beschlüsse rheinischer Landessynoden zum Themenbereich »Arbeit mit Kindern« seit 1979
zusammengestellt von Wolfgang Engels

124
Eine Gemeinde will »kinderfreundlich« werden …
von Jürgen Koerver

127
Ein Testament? Aus dem Bericht des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland auf der Landessynode 1993 (Schlußteil)
von Peter Beier

128
Bastele Dir ein schönes Gemeindekind (Bastelbogen)

131
Die lieben Kids
Ein Würfelspiel für Kirchengemeinden, die sich und ihre Kindergruppen immer wieder (neu) im Blick haben
von Ewald Schulz

 

Bestellmöglichkeit
Gemeinde … Oase für Kinder
Eine Arbeitshilfe, vorgelegt vom Ausschuß »Arbeit mit Kindern«  der Evangelischen Kirche im Rheinland
Ppbck., 160 Seiten, € 8,10
Die Arbeitshilfe konnte über den Medienverband der Evangelischen Kirche im Rheinland bestellt werden.

Kreuz und Auferstehung

Auf die folgenden Texte stieß ich im ökumenischen Jugendkreis in Essen-Altendorf (1983). Die genaue Quelle ist mir nicht bekannt.

„Wer mir nachfolgen will…“ Markus 8,34

Die Synode der deutschen Bistümer ist – wie mir einer, der es wissen muss, versicherte – ein großes, epochemachendes Ereignis gewesen. Einer der Teilnehmer erklärte uns an einem Beispiel, das natürlich frei erfunden ist, wie ein Synodenpapier entstehen kann.

„Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ Ein bekanntes und schlichtes Wort, das im Evangelium zu lesen ist. Seine Bedeutung wird freilich erst dann richtig erkennbar, wenn es zum Gegenstand synodaler Beratungen wird. Nehmen wir es einmal so an.

Natürlich erscheint dieser knappe Satz der zuständigen Sachkommission schon beim ersten Drüberlesen als zu schroff und nicht auf alle Gegebenheiten anwendbar formuliert. Daher beantragt der Synodale U., den festen Rat, das Kreuz auf sich zu nehmen, durch ein „in der Regel“ zu mildern. Dies, so meint er, deute immer noch die Richtung des Gemeinten an, trage aber doch auch der besonderen pastoralen Situation in einigen Bistümern Rechnung. Dies findet Zustimmung.

Als nächster weist der Synodale D. mit beredten Worten auf die Gefahr hin, man könne aus dem Wörtchen „will“ womöglich eine ungebührliche Betonung subjektiven Wollens herauslesen. Er plädiert für Streichung. Trotz der Gegenrede der Synodalin R., die nicht ihren besten Tag hat, holt er eine knappe Mehrheit heraus für die Fassung: „Wer mir nachfolgt, der nehme in der Regel…“

Fünf Wochen später, in der nächsten Sitzung – der zweifach geänderte Satz ist mit dem Protokoll rechtzeitig allen Kommissionsmitgliedern schriftlich zugegangen – steht er erneut zur Debatte. Der magenkranke Synodale M., der beim letzten Mal leider verhindert war, an den Beratungen teilzunehmen, stößt sich sogleich an der Formulierung „der nehme“. Darin muss er lesen, man wolle die Nachfolge dem Betroffenen lediglich anraten. Zudem erinnere ihn dieser Ausdruck gewissermaßen an Kochrezepte. Um derartige assoziative Missverständnisse von vornherein auszuschließen, habe er folgende Neufassung des Textes ausgearbeitet: „Die vom Herrn eindeutig geforderte Nachfolge besagt in der Regel das Aufnehmen des dem angerufenen Jünger spezifischen Kreuzes und damit die Nachfolge des Herrn durch eben diesen Jünger.“ Dies findet Zustimmung. Ebenso der Hinweis, das Wort „eindeutig“ könne man streichen; der Ausdruck „gefordert“ sei stark genug, um das gemeinte Anliegen zu verdeutlichen.

Eine längere Debatte gibt es bei der nächsten Sitzung um den Vorschlag mehrerer synodaler Sprecher, den letzten Teil des Satzes, der stilistisch wie inhaltlich den Satzanfang nur unnötig wiederhole, überhaupt zu streichen. Einige sprechen dagegen, doch erinnert der Vorsitzende rechtzeitig an die Mahnungen der Zentralkommission, die Vorlagen entschieden zu straffen. Der noch eine Stunde vor Schluss der Sitzung angereiste prominente Synodale T. weist auf mögliche Bedenken der Exegeten hin: Das vorliegende Jesuswort von der Nachfolge sei uns schließlich nur als ein durch die Urgemeinde vermitteltes bekannt und dürfe darum nicht so unbefragt, wie im Text geschehen, als direkt jesuanisch postuliert werden. Unter Zeitdruck achtet nun die Kommission nicht mehr auf den Synodalen R., der noch einmal sein Anliegen vorträgt, die Bibel gehöre in jede Arbeiterhand, sondern einigt sich mit zwei Enthaltungen, folgende Fassung zur 1. Lesung in die Vollversammlung einzureichen:

„Die nach dem Zeugnis der Evangelien dem Herrn selbst zugeschriebene Aufforderung zur Nachfolge besagt in der Regel das Aufnehmen des dem jeweiligen Jünger spezifischen Kreuzes durch denselben.“

Zur 1. Lesung in der Vollversammlung werden zu dem vorliegenden Satz insgesamt 21 schriftliche Änderungsanträge eingereicht. Davon werden nach mehrstündiger Beratung 9 abgelehnt und 12 überwiesen.

Zwei Monate später schon gelingt es der Sachkommission bei ihrer nächsten Sitzung, sich auf folgende neue Textfassung zu einigen, in die alle Anträge eingearbeitet sind:

„Sofern uns das Zeugnis der Evangelien als ein sowohl damals entstandenes als auch in der heutigen Weltsituation gültiges authentisch überliefert ist, besagt die darin dem als dem Christus geglaubten Jesus von Nazaret zugeschriebene und von der durch die Zeiten pilgernden Kirche als seines geheimnisvollen Leibes treulich tradierte Aufforderung zur Nachfolge in Glaube, Hoffnung und Liebe in der Regel das Akzeptieren des dem jeweiligen Jünger je und je eigenen und Schicksal und Tod bezeichnenden Kreuzes, jedoch nur, wo dies möglich und üblich ist und wo dem nicht ernsthafte Bedenken des Pfarrgemeinderates wie auch gegebenenfalls des Pfarrers, der dabei im Regelfall der Zustimmung des Dekans bedarf, entgegenstehen.“

Die Sachkommission glaubt, für die 2. Lesung ein brauchbares Arbeitspapier erstellt zu haben. Auf die Frage eines Zeitungsmenschen, ob man dies nicht auch einfacher sagen könne und so, dass man es an der Basis verstehe, meinte man allgemein, damit sei die Synode überfordert.

 

Die Kreuzigung

„Sie höhnten: Steige er doch herab, dann wollen wir an ihn glauben!“
Matthäus 27,42

 

Der-da-oben

wollte ein Beispiel geben,
aus Liebe, sagt er – und ist
Der-da-unten geworden.

Seine Gefühle in Ehren,
aber wo kämen wir hin…
man kann doch nicht einfach
alles auf den Kopf stellen!

So haben wir die Sache
wieder in Ordnung gebracht, haben ihn,
Den-da-unten, am Kreuz erhöht,
in den Himmel erhoben.

Es war nicht ganz einfach.
Jedenfalls ist er nun wieder da,
nämlich oben, wo er hingehört,
Der-da-oben.

 

Vorsorge

„Jesus wusste, dass alles vollbracht war…“
Johannes 19,28-30

Wir haben ihn
festgenagelt
auf seine Versprechungen.

Ein Kreuz, ein Hammer
und vier dicke Nägel,
das genügt.

Nun muss er
sein Versprechen halten,
uns zu retten.