Die Evangelische Kirche bricht eine Aktion einer Düsseldorfer Jugendkirche ab.
Die Jugendlichen hätten Kondome mit der Aufschrift „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ bedruckt.
Die Aktion sei sexistisch, heißt es in den Medien. Was daran sexistisch sei, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Kritik wird laut am Verhalten einer als spießig empfundenen Kirche. Ich selbst habe mich vorsichtig an dieser Kritik beteiligt, weil ich den Jugendlichen zutraute, dass die Aktion Teil eines sich selbst erklärenden Gesamtkonzeptes sei.
Im Nachhin merke ich, dass ich und viele andere begonnen haben, Urteile zu fällen, bevor alle Fakten auf dem Tisch lagen. Das fällt schwer in unserer schnelllebigen Zeit.
Abschließend mag ich immer noch kein Urteil fällen. Lieber noch ein wenig abwarten.
Und dann lese ich heute von der Pressemitteilung meiner Landeskirche von gestern, 22.03.2017, die erklärende Homepage habe „www.heutewirdgenagelt.de“ geheißen. Es waren gar nicht nur Luther-Zitate, sondern eben auch ,Nageln bis der Papst kommt‘, ,Schrei vor Erlösung‘ und ,Mach den Mund auf‘. Ich beginne, meine Kirchenleitung zu verstehen.
Das ist in der Tat nicht mehr die Ebene von „Luthersocken“ oder anderen modernen Devotionalien. Diese Sprüche stellen sich auch nicht durch ein Fragezeichen selbst in Frage.
Denn an vielen Stellen hätte ich mir sehr wohl gewünscht, dass Luther „anders“ gekonnt hätte, wenn ich an seinen manchmal mehr als groben Sprachstil oder seinen Antijudaimus denke.
Und jetzt verstehe ich auch die Betroffenheit und die Empörung von betroffenen vergewaltigten Frauen und Mädchen in unseren kirchlichen Einrichtungen, die solche Sprüche in keinerlei Weise witzig finden können.
Was mich ärgert: Hätte die Kirchenleitung das nicht gleich sagen können? Andererseits frage ich mich: Wollte sie die entsprechende Jugendkirche schützen, indem man die „heftigen“ Sprüche und den Titel der Homepage nicht sofort nannte? Und wieder andererseits: Warum war ich bereit, beim Bashing auf diese gar-nicht-komische Kirchenleitung wenigstens ein Stück weit mitzumachen, wo doch offensichtlich war, dass noch nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen?
Der ganze Skandal ist eines der vielen Lehrstücke, dass man mehr miteinander im Gespräch bleiben muss, statt direkt in das Bashing der üblichen Verdächtigen einzustimmen. Man könnte ja auch mal bei seiner Pressestelle anfragen, bevor man kritisch bloggt. Und vielleicht hätte diese dann noch schneller deutlich genug werden können.
Ein Lehrstück, dass man – wenn man nicht selbst nachfragt – auch mal ein wenig warten kann, bis die Zusammenhänge sichtbar werden, bevor man kommentiert und urteilt. Wir kritisieren einerseits Fakenews – und produzieren andererseits selber welche.
Warum vertrauen wir den üblichen kirchenkritischen Publikationen mehr als unserem eigenen Laden? Und warum fragen wir nicht nach, wenn offensichtlich ist, dass noch Fakten fehlen, die zu einer Bewertung wichtig sind? Noch immer sind nicht alle Fakten auf dem Tisch, etwa der Inhalt jener „erklärenden“ Homepage. Aber ich gestehe, zuviel erwarte ich von jenem Inhalt nicht mehr, angesichts dessen, wie ein Zusammenhang hergestellt wurde zwischen der Anwesenheit des Papstes und der Kunst, mittels Metallstiften Hölzer zu verbinden. Aber weiß ich es? Bis jetzt immer noch nicht wirklich. Muss ich es wissen, was auf der Homepage stand?
Mit Kommentaren, die auf Vermutungen beruhen, erzeugen wir mehr Fakenews, als es uns lieb sein kann.