Deutsch predigen in der Moschee?

Deutsch predigen in der Moschee?

Die Wellen schlagen hoch in der Diskussion, ob und wie in Köln Ehrenfeld eine neue Moschee errichtet werden soll. Dabei wird immer wieder auch die Forderung aufgestellt, in den Moscheen in Deutschland solle auch auf Deutsch gepredigt werden.

Einerseits kann ich diese Forderung nachvollziehen. Warum soll nicht nach einem Aufenthalt von mehr als 25 oder 30 Jahren auch der Gottesdienst in einer Moschee in deutscher Sprache gehalten werden? Gehört das nicht zur Integration?

Andererseits kann ich meine Erfahrungen nicht vergessen, die ich während des Vikariats auf Studienfahrt unserer Vikariatsgruppe nach Griechenland gemacht habe.

Wir hatten uns entschlossen, einerseits Kontakte zur griechisch-orthodoxen Kirche zu nutzen und andererseits eine Gruppe von Deutschen Frauen zu besuchen. Es war eine sehr lehrreiche Fahrt.

Die meisten dieser Frauen hatten griechische Männer geheiratet und lebten nun seit vielen Jahren in Griechenland. Dass man Leberwurst vermissen könnte, hätten wir nie gedacht. Aber unter den klimatischen Verhältnissen dort kennt man solch ein Produkt halt nicht. Kann man sich als Ausländerin in einem fremden Land integrieren? Ich glaube, die meisten Frauen dort waren gut integriert. Viele hatten inzwischen die griechische Staatsbürgerschaft. Und dennoch brauchten sie ihre Orte, an denen sie deutsch sprechen und sich austauschen konnten. Dennoch freuten sie sich über jedes Päckchen mit einem aktuellen Roman in deutscher Übersetzung.

Auf der Studienfahrt hatte ich die Planung und Gestaltung des Gottesdienstes in der deutschen Auslandsgemeinde in Thessaloniki übernommen. Die deutsche Pfarrerin war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland. Wenn der Gottesdienst nicht auffallen sollte, mussten wir ihn selber halten. Die Kirche: Eine größere Wohnung in der ersten Etage in einer Geschäftsstraße. Ein wenig aufgeregt und ein wenig stolz nahm ich zur Kenntnis, dass der Konsul aus Thessaloniki mit seiner Familie den Gottesdienst besuchte.

Die Predigtsprache war natürlich Deutsch. Erstens kann ich kein Neugriechisch, zweitens sind meine Altgriechisch-Kenntnisse bei weitem nicht so gut, dass ich es aktiv sprechen könnte (und wer hätte es überhaupt verstanden), und drittens halte ich es für selbstverständlich, dass die Gottesdienste in einer Auslandsgemeinde in der jeweiligen Heimatsprache gehalten werden. Warum denn nicht?

Der zweite Gottesdienst, den wir während unserer Fahrt besuchten, war völlig anders. Wir waren zu Gast in einer orthodoxen Gemeinde in einem der Vororte von Thessaloniki. Bescheiden wollten wir uns hinten in die Bank setzen, aber die Gemeinde erwartete uns und geleitete uns in die erste Reihe. Der Gottesdienst war natürlich auf Griechisch gehalten. Aber extra für uns waren Theologie-Dozenten von der Universität aus Thessaloniki gekommen, die die Evangelienlesung auf Deutsch lasen. In einem orthodoxen Gottesdienst in Griechenland! Jede und jeder hatten wir einen deutsch-griechischen Ablauf der Liturgie erhalten.

Der Höhepunkt war das Vaterunser gegen Ende des Gottesdienstes. “Vater unser” erklang es auf Deutsch aus dem Altarbereich hinter der Ikonostase. “Lauter”, rief der Priester, und jetzt begriffen wir: Das Vaterunser sollten wir laut auf Deutsch für die griechische und mit der griechischen Gemeinde sprechen. Es gab keine und keinen aus unserer Gruppe ohne feuchte Augen, als wir beim “Amen” angekommen waren.

Müssen Türken ihre Gottesdienste in Deutschland auf Deutsch halten? Und Araber auf Arabisch?

Ich käme nicht im Entferntesten auf die Idee, dass in der Deutsch-Lutherischen Kirche in Jerusalem der Gottesdienst nicht auf Deutsch gehalten würde – darum habe ich auf der Israelreise damals doch genau diese Kirche aufgesucht.

In den Räumen der Versöhnungskirche in Essen-Rüttenscheid war während meiner Zeit dort als Pfarrer im Probedienst eine koreanische Gemeinde zu Gast. Selbstverständlich wurden ihre Gottesdienste auf koreanisch gehalten. Selbstverständlich war aber auch, dass wir gemeinsame Gottesdienste hielten, etwa zu Heilig Abend oder zum Gemeindefest. Die Predigt wurde entweder zweisprachig gehalten, oder – wenn Pfarrer Kim auf deutsch zu uns predigte – erhielten seine Gemeindeglieder die Predigt gedruckt auf koreanisch. Höhepunkt war immer das gemeinsam gebetete Vaterunser auf Koreanisch und Deutsch.

Als Pfarrer Kim dann die Pfarrstelle der koreanischen Gemeinde in Düsseldorf übernahm, wurde auch dieser Gottesdienst selbstverständlich auf Koreanisch gehalten. Mit einer Übersetzung der Predigt und jener Teile des Gottesdienstes, für die eine Übersetzung vorlag, durch die Kopfhörer der Simultanübersetzungsanlage.

So sollte sich das gehören: Man pflegt die gute Nachbarschaft, und lädt sich immer wieder gegenseitig zu seinen Gottesdiensten ein, auch wenn sie in der eigenen Sprache gehalten werden. Wenn jemand zu Gast im Gottesdienst ist, der dieser Sprache nicht mächtig ist, bemüht man sich im Rahmen der Möglichkeiten um eine Übersetzung, zumindest in Zusammenfassung. Und wenn man unter sich ist, dann bleibt man bei seiner Muttersprache.

Die Gottesdienste der französisch-sprachigen Gemeinde in meinem derzeitigen Kirchenkreis sind – wie der Name schon sagt – auf Französisch.

Gibt es nun einen sachlichen Unterschied zwischen all diesen christlichen Gottesdiensten in christlichen Auslandsgemeinden und muslimischen Auslandsgemeinden?

Könnte man die Zahl und die Größe der Gemeinden anführen? Wie müsste man dann vergleichsweise mit den Japanern in der japanischen “Kolonie” in Düsseldorf umgehen?

Die Forderung nach Integration in das Gastgeberland ist eine Selbstverständlichkeit. Auch für Christen gilt sicherlich die Aufforderung Jeremias aus der “Babylonischen Gefangenschaft” aus Kapitel 29,7: “Suchet der Stadt Bestes!” Selbstverständlich lernt man die Landessprache und kann sich damit verständlich machen, wenn man länger dort wohnt. Selbstverständlich erwartet man, dass sich die Menschen hier um deutsche Sprachkenntnisse bemühen. Selbstverständlich erwartet man von den Gästen in einem Land, dass sie auf Sitten und Gebräuche Rücksicht nehmen und sich entsprechend anpassen. Genauso selbstverständlich wie die Neugier für die Sitten und Gebräuche der Gäste – und wie die Rücksicht der Gastgeber darauf.

Aber genauso selbstverständlich werden Gottesdienste in Auslandsgemeinden egal welcher Religion in der Muttersprache gehalten. Auch dann, wenn die Gäste schon einen einheimischen Pass haben und man sich fragt, ob denn “Gast” noch eine angemessene Bezeichnung ist.

So kenne ich es von den wenigen eigenen Auslandsaufenthalten, so kenne ich es von befreundeten christlichen Auslandsgemeinden hier in Deutschland. Und so sollte es auch für die Gottesdienste der Auslandsgemeinden anderer Religionen gelten.

Die Predigtsprache ist kein sinnvolles Kriterium für erfolgreiche Integration und kann es auch niemals werden.

Bernd Kehren

P.S.:
Gleiches Recht für alle!
Und:
„wir Christen“ sollten dabei mit gutem Beispiel voran gehen –
und nicht schlechten Beispielen nacheifern.

Kleine Kinder im Gottesdienst – unfertige Thesen –

Als aber die Hohenpriester und Schriftgelehrten die Wunder sahen, die er tat, und die Kinder, die im Tempel schrien: Hosianna dem Sohn Davids!, entrüsteten sie sich und sprachen zu ihm: Hörst du auch, was diese sagen? Jesus antwortete ihnen: Ja! Habt ihr nie gelesen: »Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet«?
(Mt 21,15-16)

 

Kleine Kinder im Gottesdienst – unfertige Thesen –

  • „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“
  • Alle Gemeindeglieder haben ein Anrecht darauf, den Gottesdienst besuchen zu können. Dies gilt insbesondere auch für Eltern mit kleinen Kindern. Das bedeutet, dass die Gemeinde ein Mindestmaß an Toleranz gegenüber der Unruhe aufbringen muss, die durch Kinder nun einmal entsteht.
  • Mit der Behauptung, kleine Kinder würden im Gottesdienst nur stören, und der Forderung, sie sollten zu Hause bleiben, schließt eine Gemeinde die Eltern junger Kinder auf Jahre vom Gottesdienst aus.
  • Eltern nehmen die Störungen durch ihre Kinder sensibler wahr als alle anderen Anwesenden. Oft reagieren sie nicht sofort, weil dies die Störung zunächst vergrößern würde, und hoffen, dass das Kind auch wieder ruhiger wird. Sie brauchen deshalb die Unterstützung und den Zuspruch der Gemeinde, dass die Bewegungen und Geräusche ihrer Kinder nicht abgelehnt werden.
  • Kleine Kinder dürfen in der Kirche umherlaufen.
  • Eltern sollten vermeiden, hinter ihren Kindern herzulaufen. Sind die Eltern weit genug weg, kommen die Kinder von alleine zurück. Laufen die Eltern hinterher, haben die Kinder keinen Grund, zurückzukommen. Die Eltern stören dann oft mehr als die Kinder.
  • Wenn genügend Eltern mit ihren kleinen Kindern in den Gottesdienst kommen, kann es durch die Masse zu unruhig werden. Schön, wenn eine Gemeinde dann eine Möglichkeit anbieten kann, dass die Eltern optisch hinter eine Glasscheibe und akustisch über eine gute und regelbare Lautsprecheranlage am Gottesdienst teilnehmen können, während die Kinder durch ihr Spiel Gott loben.

Taize-Andachten für Demente

Meine Gottesdienste in den Altenheimen werden von mehr oder weniger dementen Menschen besucht. Diese Gottesdienste halte ich relativ klassisch mit lutherisch orientierter gesungener Liturgie:

GottesdienstbesucherInnen ohne Demenz werden durch die Predigt besonders angesprochen, GottesdienstbesucherInnen mit leichter Demenz werden sich zwar nicht mehr an die Predigt erinnern können, aber sie werden merken, dass sie ihnen gut getan hat.

GottesdienstbesucherInnen mit ausgeprägterer Demenz werden von den geprägten Stücken der lutherischen Liturgie angesprochen, die durch vergleichbare Stücke in der katholischen Liturgie in ökumenischer Verbundenheit auch katholischen GottesdienstbesucherInnen vertraut wirkt.

Allerdings ist es organisatorisch nicht zu schaffen, auch jene Bewohnerinnen mit einer ausgeprägteren Demenz in diese Gottesdienste zu bringen. Also muss man sich auf den Weg in die Wohngruppen und in die Zimmer der Bettlägerigen machen.

Angeregt durch einen Artikel von Mechthild Lärm habe ich “Taizé-Andachten” entwickelt, die ich mit meiner Gitarre durch einfache Zupfmuster begleite und mit mehreren ehrenamtlichen Gemeindegliedern gestalte.

Dazu bringe ich Panesamt-Tücher mit und gestalte mit ihnen, mit Kerze und Kreuz sowie Schmucksteinen und Tee-Lichtern eine Mitte. Je nach den Gegebenheiten auf der Station setzen wir uns darum im Kreis, manchmal wird auch nur der Tisch in der Mitte entsprechend gestaltet, und wenn wir anschließend die bettlägerigen Bewohnerinnen und Bewohner in ihren Zimmern besuchen, wird diese Mitte direkt auf einem Tee-Wagen gestaltet.

Eine Verdunklung der Räume wäre in der Regel zu aufwendig, die Andachten sollen bewusst auch organisatorisch einfach gehalten werden.

Der Zielgedanke war, diese Andachten so zu gestalten, dass möglichst viele Sinne angesprochen werden. Darum verwende ich besonders als optischen Reiz gerne das leuchtend rote Tuch, auch wenn vom Kirchenjahr her eher “grün” angesagt wäre. Aber auch die Tücher in den gedeckteren Farben zeigen an, dass jetzt der gewohnte Alltag unterbrochen wird. Unterstützt wird der optische Impuls durch Kerze und Teelichter und die übrigen Materialien.

Der akustische Reiz geschieht durch die Lieder. Zwar sind die Lieder aus Taizé den Bewohnerinnen und Bewohnern in der Regel nicht bekannt. Durch die mehrfachen Wiederholen wirken sie aber sehr beruhigend, wie das Pflegepersonal immer wieder neu feststellt.

Dennoch fühlte ich mich schon nach wenigen Andachten nicht wohl damit, nur fremde Gesänge zu präsentieren. So wurden die Lieder aus Taizé durch möglichst ökumenisch bekannte alte Kirchenlieder und weiterhin speziell durch Abendlieder ergänzt. Letztere sind offenbar dadurch sehr gut im Gedächtnis verankert, dass sie in der Kindheit immer wieder gesungen wurden. Auch wenn die Andachten in der Regel nicht abends stattfinden, passen sie durch ihre Abschiedssymbolik immer wieder auch gut zu den Gedanken um Hohes Alter, Tod und Sterben. Reine Volkslieder, auch wenn sie sehr gut bekannt sind, wollte ich in diesen geistlich geprägten Minuten nicht singen.

Auch wenn meine Altenheim-Gottesdienste in der Regel durch Glockengeläut vom MP3-Player eingeläutet werden, beginne ich die Taize-Andachten nicht mit Geläut, sondern durch eine Begrüßung mit einer kurzen Erläuterung.

Leider war ich selber noch nie in Taizé, aber einzelne Lieder sind mir in der Gemeinde immer wieder begegnet. Sie liegen daher auch der Auswahl zugrunde. Um nicht unnötige Irritationen dadurch zu erzeugen, dass unbekannte Lieder in einer fremden Sprache gesungen werden, wird bei allen Lieder der deutsche Texte verwendet. Vor kurzem habe ich allerdings gelesen, dass gerade katholische demente Menschen erstaunlich gut auf ihnen aus der Kindheit bekannte lateinische Texte reagieren, aber ich habe dies noch nicht bewusst vergleichen können.

Somit werden bereits die Sinne “Hören” und “Sehen” angesprochen. Gegen Ende der Andacht wird das Lied “Bleib mit deiner Gnade bei uns” gesungen. Während dieses Liedes werden reihum jedem Anwesenden die Handflächen mit einem kleinen Kreuz gesalbt. Ich habe dazu auf der Basis von naturgepresstem Olivenöl mit einigen Tropfen Lavendelöl ein Duftöl zubereitet, mit dessen Hilfe auch die Sinne “Riechen” und “Spüren/Fühlen” angesprochen werden.

Bei mir hat sich folgender Ablauf herausgebildet
(Nummern aus dem Evangelischen Gesangbuch,
Ausgabe Rheinland-Westfalen-Lippe):

  • „Im Namen des Vaters…“
  • Lobt Gott, ihr Völker alle (Laudate omnes gentes – EG 181.6)
  • Lesung: Ps 95,1+2
    1 Kommt herzu, lasst uns dem HERRN frohlocken
    und jauchzen dem Hort unsres Heils!
    2 Lasst uns mit Danken vor sein Angesicht kommen
    und mit Psalmen ihm jauchzen!
    Freuet euch im Herrn (EG-RWL 579)
  • Lesung
    Mt 5,2-9 (Seligpreisungen)
    oder 1. Kor 13,2+13 (Hoheslied der Liebe)
  • Wo die Liebe wohnt (ubi caritas – EG-RWL 587)
  • Unsere Augen sehn stets auf den Herren (oculi nostri – EG-RWL 582)
  • Heilig, Heilige Herr Gott Zebaoth (sanctus – EG-RWL 583)

Bekannte Kirchenlieder:

  • Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren (EG 317,1+2+5)
  • Nun danket alle Gott (EG 321)
  • So nimm denn meine Hände (EG 376)
  • Großer Gott, wir loben dich (EG 331,1+2+11)
  • Geh aus, mein Herz (EG 503, 1+2+8)
  • Befiehl du deine Wege (EG 361, 1+2+12)
    (12 singe ich besonders gerne bei reaktionsarmen bettlägerigen Patienten)

Aus der Kinderzeit sind viele Abendlieder bekannt:

  • Nun wollen wir singen das Abendlied (EG-RWL 684)
  • Abend ward, bald kommt die Nacht (EG 487)
  • Der Mond ist aufgegangen (EG 482,1-3+7)
  • Nun ruhen alle Wälder (EG 477, 1+3+5)
  • Weißt du, wieviel Sternlein stehen (EG 511)
  • Guten Abend, gut Nacht (?)

Die Reihenfolge behalte ich immer bei, aber die Auswahl erfolgt relativ spontan. Ich habe mir für den Eigenbedarf mithilfe des Elektronischen Gesangbuches einige Liedheftchen zusammen gestellt, in dem ich während des Weiterblätterns aussuche.

  • Hieran schließt sich eine Salbung an mit Olivenöl und Lavendelduft, und zwar zum Lied:
    Bleib mit deiner Gnade bei uns (EG-RWL 586)
    Dazu werden die Hände mit einem kleinen Kreuz gesalbt. Das Lied wird so
    lange wiederholt, bis alle die Salbung erhalten haben.
    Meine Erfahrung ist: Gerade weil diese Salbung so unspektakulär “inszeniert” ist, wird sie so gut angenommen.
  • Fürbittengebet zu „Kyrie, Kyrie eleison“ (EG 187.12)
  • Vaterunser
  • Trinitarischer Segen
  • Geh’n wir in Frieden den Weg, den wir gekommen. (EG Oldenburg 560)

Eine Predigt gibt es nicht oder allenfalls rudimentär und ganz spontan aus der Situation heraus.

Die Mitarbeitenden reagieren ganz unterschiedlich. Manche sehen es als Chance und sehen zu, dass möglichst viele Menschen kommen können. Andere nutzen es als Ruhephase. In einem der Häuer habe ich Frauen gefunden, die sogar eine Oberstimme begleitend singen können. Ich habe die Andacht aber auch schon ganz alleine gehalten. Ich zupfe die Gitarre mit einfachen Zupfmustern. Bin ich alleine, singe ich „Bleib mit deiner Gnade bei uns“ ohne Gitarrenbegleitung und salbe selber.

Haben wir für die Andacht einen Teewagen gestaltet, dann gehen wir im Anschluss an diese Andacht durch die Zimmer zu den Bettlägerigen, singen eines der Lieder und das „Bleib mit deiner Gnade bei uns“ und salben bei letzterem den Pflegebedürftigen die Handflächen.

Altenheim-Gottesdienste

Predigten aus dem Altenheim finden Sie hier keine. Das liegt einfach daran, dass ich diese Predigten so gut wie alle frei halte und daher keine fertigen Texte habe, die ich ins Internet setzen könnte.

Zur Zeit [Anmerkung: Dieser Text entstand ca. 2009] feiere ich zwei Arten von Gottesdiensten:

  • Taize-Andachten für Menschen mit einer Demenz
  • Etwas gekürzte Abendmahlsgottesdienste mit vielen traditionellen, auch gesungenen liturgischen Anteilen.

Taize-Andachten

Diese Andachten werden mit einigen Ehrenamtlichen und Pflegenden für die schwerer dementen Bewohnerinnen und Bewohner gehalten. Sie haben einen relativ festen Ablauf und dauern etwa 20 bis 25 Minuten. In den Wohngruppen wird ein Tisch mit Tüchern, Kerzen, einem Kreuz und Dekomaterial festlich gestaltet. Die Wiederholungen der Taize-Lieder tun den Menschen – Bewohnern wie Pflegenden – sichtlich gut. Bei einem der Lieder wird der Handrücken gesalbt: Es ist ein Gottesdienst für alle Sinne: Hören, Sehen, Riechen, Hautkontakt spüren.

Als Pfarrer oder Pastor habe ich vor allem gelernt, mit Worten umzugehen und zu predigen. In den Taize-Andachten geht es um eine Form der Kommunikation, die viel mehr das Gefühl anspricht: Das ist die Ebene, auf der Menschen mit einer Demenz sehr gut kommunizieren können. Angeregt zu dieser Form der Gottesdienste wurde ich von Mechthild Lärm. Ehrenamtliche Besucherinnen und Besucher singen und gestalten die Andacht mit, bei der die Lieder mit der Konzertgitarre und nach Möglichkeit weiteren Instrumenten begleitet werden. Auf diese Weise haben sie auch einen leichteren Zugang zu einer für Außenstehende manchmal auch sehr belastenden Situation im Altenheim.

Nicht zuletzt tut diese Form auch den Mitarbeitenden gut, die ihre Bewohnerinnen und Bewohner in dieser Andacht begleiten.

Abendmahlsgottesdienste

Sie bestehen aus möglichst vielen alten bekannten Elementen.

Begrüßung, Lied, Psalm 23 mit gesungenem “Ehr sei dem Vater und dem Sohn…” freiem Tagesgebet, Glaubensbekenntnis, Lied, Predigt, Lied, Abendmahl mit vielen gesungenen Teilen, Einzelsegnung, Segen, “Großer Gott, wir loben dich”.

Selber würde ich gerne etwas mehr modifizieren, aber die alten Texte bieten den Gottesdienstbesuchern ein wichtiges Stück “Heimat”. Seit den Erfahrungen mit den Taize-Andachten begleite ich die Gottesdienste auch nicht mehr mit der Schlaggitarre, sondern mit der Konzertgitarre und einem einfachen Zupfmuster. (Nur In einem meiner Heime wird der Gottesdienst von einem Pianisten begleitet.)

Für die Predigten versuche ich nach Möglichkeit, ein kleines Stück Anschauungsmaterial mitzubringen: Eine Postkarte (die man dann auch mit auf das Zimmer nehmen kann), eine Handpuppe oder auch eine der Erzählfiguren aus dem Bistum Aachen, weil man mit ihnen so gut Gefühle ausdrücken kann. Weihnachten 2005 hatte ich für jeden einen kleinen Esel aus gedrechselten ”Reifentieren” aus dem Erzgebirge mitgebracht, und noch heute finde ich das kleine Tier auf vielen Nachtschränken in den Zimmern liegen. Dank Laserdrucker und Elektronischem Gesangbuch kann ich schnell und unkompliziert die Liedtexte in extrem großer Schrift abdrucken, so dass auch Menschen mit stärkerer Sehbehinderung die Worte noch entziffern können. An hohen Feiertagen benutze ich “Gemeindebrief-Mantelbögen”, um darauf die Liedtexte zu drucken. So haben die Besucherinnen und Besucher ein dem Feiertag angemessenens “Mitbringsel”, das oftmals noch lange Zeit aufgehoben wird.

Die frohe Botschaft des Evangeliums soll den zuhörenden Menschen in ihrer Alters- und Heimsituation gepredigt werden. Sie sollen nicht allein bleiben, wenn sie Bilanz ziehen und hoffnungsvoll in die Zukunft, nicht mehr in die ferne Zukunft, sondern auf die nächsten Monate oder auch immer nur auf die nächsten Tage (vgl. Ursula Schmitt-Pridik, Hoffnungsvolles Altern – Gerontologische Bibelauslegung, Neukirchen 2003). Einige haben sicherlich aufgrund von Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz schon am Ende des Gottesdienstes vergessen, wovon die Predigt handelt. Aber in ihrem emotionalen Gedächtnis bleibt diesen Menschen das Gespür für die Atmosphäre in ihrem Gottesdienst und sie merken (und sagen das auch), dass sie einen schönen Gottesdienst erlebt haben.

Die Form der Einzelsegnung habe ich erst nach meiner Einführung in den Dienst als Altenheimseelsorger in Bad Münstereifel kennengelernt. Für einige der Gottesdienstbesucher ist dies die dichteste Form der Feier, fast noch wichtiger als das Abendmahl. Zu Beginn habe ich mit Händeauflegen gesegnet. Allerdings ist dies bei durchgängig sitzenden Menschen immer “von oben herab”. Seit einiger Zeit habe ich von einem Kollegen eine Form “auf Augenhöhe” übernommen: Ich gehe vor dem sitzendenden Bewohner oder der Bewohnerin in die Hocke und halte nun seine Hände. Wer möchte, bleibt mit dem Segnenden in Augenkontakt, und wer die Situation nicht versteht, hat dem Pastor einfach die Hand gegeben. Der Segensspruch greift meistens einen Gedanken der Predigt auf und endet mit der trinitarischen Form. Im Ostergottesdienst lautete er zum Beispiel: “Jesus spricht: Ich lebe und du sollst auch leben. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.”

Das Abendmahl gestalte ich als Intinctio. Einzelkelche sind bei einem Dienst in fünf verschiedenen Heimen relativ unpraktisch. Am liebsten hätte ich den Gemeinschaftskelch, aber das lässt sich im Heim aus hygienischen Gründen schlecht realisieren. Aber in jedem Gottesdienst findet sich ein Besucher oder Helfer, der noch gut zu Fuß ist und den Kelch tragen kann, in den ich dann die Oblate tauche.